Segringen, 1950
Es war kein überlegter Mord,
ich war ja noch ein Kind
in einem kleinen Bauernort,
wo wir im Krieg gestrandet sind.
Es war ein erlaubter Totschlag
mittels Schlag mit einem Holzbeil.
An einem Nachkriegs-Frühlingsmontag
beging ich furchtlos dieses Unheil.
Ich hatte meine Instruktionen
vom Bauer, der das oft schon machte.
Er will mich dafür auch belohnen,
sagte er, wobei er lachte.
Dann ging alles ziemlich schnell:
Mit den Händen wie ein Schraubstock
hält er die Henne auf dem Hackblock.
Ich heb das Beil - mach jetzt nicht schlapp -
es fällt nach unten, der Kopf ist ab.
Der Bauer lobt: "Mensch, das war gut",
die Henne flattert, aus ihr spritzt Blut.
Der Bauer reicht mir dann das Huhn,
ich nehme es, was soll ich tun?
Ich lass es auf den Boden fallen,
es flattert, landet auf den Krallen.
Ohne Kopf es weiter läuft,
und läuft und läuft, und läuft und läuft.
Ein seltsam Rennen, ich bekenne:
zwei Menschen gegen eine tote Henne.
Nach einer Hundertmeterstrecke
war in einer Gartenhecke
dieser Geisterlauf vorbei.
Der Bauer schaut, gleich einem Denker,
und sagt zu seinem Aushilfshenker
mit dunkler Stimme, etwas bleischwer:
"Dieses Huhn legt jetzt kein Ei mehr".
Am nächsten Tag kam die Belohnung:
In der bäuerlichen Wohnung
gab es vom Huhn ´ne fette Suppe.
Wie es starb, das war mir schnuppe.
© Willi Grigor, 2014
Aus dem Leben
Karl Zerrer (der "Sessler-Bauer") und seine Frau Karoline nahmen mich in den Sommermonaten auf wie einen Sohn, den sie nicht hatten. Ich durfte die Kühe hüten und auf dem Hof herumtollen wie ich wollte. Meine schöne Kindheit bekam ich dank ihnen und ihrer Tochter Elsa.
Kommentare
Du warst damals schon etwas älter, ich war 7 Jahre. Der Spass, den sich der Bauer mit mir gemacht hat, hat sich in mein Gedächtnis als ein tolles Erlebnis eingebrannt.
LG
Willi
Zeugin eines solchen Totentanzes bin ich auch einmal gewesen. Noch ein Kind in - damals - Ostpreußen. Es hat mir lange Albträume verursacht, vergessen hab ich es bis heute nicht. Die Lektüre des Gedichtes verschuf mir durch seine Eindringlichkeit Gänsehaut.
Paola,
Ja, gewisse Erlebnisse trägt man mit sich.
Danke für den freundlichen Kommentar.
Liebe Grüsse
Willi
Lieber Willi, dieses noch kopflos aktive Federvieh könnte man auch Störtebekerhuhn nennen.
Liebe Grüße ... von einser ständig älter werdenden Frankfurterin - Marie
Weil der Störtebeker auch ohne Kopf noch rumgelaufen ist?
Es freut/ehrt mich, dass du dir meine "alten" Dinger anschaust.
Liebe Grüße von einem, der auch nicht jünger wird.
Willi
Gemeiner, unsensibler Kerl du, ohne einen Funken Empathie und -
halt, schreibe ich soeben über meinen Willi?
Na, warum halte ich mich denn da so zurück, da kann ich doch ganz anders noch vom Leder ziehen. Also, Willi, du elend` ¬ · ° - ~
Mist, Tinte ist alle...
Viel habe ich als Kind gelernt!
zum Beispiel, wie man Hühner schlachtet,
wie man den Kopf vom Huhn entfernt.
Wie man das Kalb mit einem Schlag...,
das fette Schwein mit einem Stich...
Das tat der Bauer nur, nicht ich.
Einmal traf ich eine Taube
mittig auf...
Aber das ist eine andere schlimme Tat von 1951.
LG
Willi