Das Geständnis - Page 2

Bild von Thery Trojan
Bibliothek

Seiten

den Typ zermatscht zu sehen. Ok, Krause war ein dämlicher Hund. Aber wirklich was getan hatte er mir noch nie. Also da war kein Hass, oder so was. Und dann stellte ich mir vor, es wäre jemand anderes gewesen. Jemand, den ich nicht so bescheuert fand. Das war gar nicht so einfach, weil alle irgendwie bescheuert waren. Also nahm ich meinen Vater, dann Mutter und meine beiden älteren Brüder. Ich stellte sie der Reihe nach auf die Straße und ließ das Auto angebraust kommen. Einer nach dem anderen wurde zermatscht. Bei jedem grinste ich ganz verträumt. Ok, bei meinem Vater ein bisschen breiter. Wie ich schon sagte, ich hatte nichts gegen meine Familie, aber ohne konnte ich mir das Leben auch vorstellen.
Ich kam zu der Erkenntnis, dass ich nicht ganz so war, wie der Rest der Welt. Ich war kein Weichei, konnte was aushalten und ich hatte keine Angst vorm Sterben. Jedenfalls nicht vorm Sterben der Anderen. Im Gegenteil. In mir wuchs eine unbändige Neugier zu sehen, wie das Leben einen Menschen verlässt. Dieser Gedanke kam dann immer häufiger und kurze Zeit später war er das Erste, wenn ich am Morgen die Augen aufschlug und das Letzte, bevor ich abends einschlief. Noch ein wenig später träumte ich dann auch davon. Ich sah Menschen sterben, sah ihnen dabei in die Augen und wurde wütend, weil ich alles wie durch einen Schleier sah. Träume sind selten so richtig klar. Ich wachte also immer öfter mit einer unbändigen Wut im Bauch auf. Hatte immer öfter das Gefühl, gleich zu explodieren. Das war eine grässliche Zeit. Irgend etwas musste ich tun. Habe ich dann auch.
Haben Sie eine Zigarette für mich? Wenn ich rauche, kann ich mich einfach besser konzentrieren. Wo? Ahhh, Danke, das tut gut.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich musste was tun.
Ich begann draußen herumzulaufen. Einfach so in der Gegend herumzurennen. Drin hielt mich nichts, ich wurde fast verrückt, wenn ich im Haus war. Sah die Familie und ging mal lieber. So 'ne Wut ist manchmal unberechenbar.
Eines schönen Tages fand ich mich im Nachbardorf wieder. Wusste gar nicht so richtig, wie ich da hin gekommen war. Sagte ich schon, dass ich was Besonderes war? Ich konnte die Realität manchmal ausblenden. War dann auf einer anderen Ebene. Eine Ebene, auf der ich mich nicht verstellen musste. Dort konnte ich hemmungslos tun, was immer ich tun wollte. Tat es auch. Dort fühlte ich mich verdammt gut. War ruhig und nie wütend.
Dummerweise spuckte mich meine Ebene immer wieder aus. Oder eigentlich zum Glück. Stellen Sie sich doch mal vor, sie hätte es nicht getan. Dann würde ich ja jetzt in einer Gummizelle sitzen. Lustiger Gedanke, finden Sie nicht auch? Nein? Nun seien Sie doch nicht so humorlos. Na ja.
Also die Ebene hatte mich ausgespuckt und ich stand im Nachbardorf. Da war auch gleich wieder diese Unruhe. Das war nicht so eine Unruhe, wie Sie sie kennen, nein, das war etwas, was einen von Innen heraus auffrisst. Das machte krank. Das machte wahnsinnig! Sie verstehen doch, dass ich dagegen etwas tun MUSSTE?
Ich war wohl quer über die Äcker gerannt und stand an der Rückseite eines Bauerngehöfts. Ziemlich runtergekommen, fast so wie das meines Vaters. Ich glaube, das war im August, mächtig heiß war es an dem Tag. Ich sah eine rostige Wassertonne an der Rückwand des Hauses. Der Inhalt war nicht mehr ganz frisch, aber gut genug um mein verschwitztes Gesicht zu kühlen. Ich hing noch über der Tonne, als ich sie hörte. Das Geräusch kam aus dem wackligen Geräteschuppen rechts von mir. In einem alten Waschkorb krabbelten und kabbelten quietschvergnügt fünf Welpen. Die Hundemutter war nirgends zu sehen. Glauben Sie mir, dass ich keinen einzigen Moment zögerte? Verstehen Sie das? Ich meine, dass war ein instinktives Handeln, so in etwa, als würde man sich an der Nase kratzen, wenn es juckt. Da überlegt man auch nicht, weil es einfach so passiert. Also das Kratzen. Ich griff mir wahllos einen und sah prüfend in seine Augen. So lebendig, so neugierig und ... so voller Vertrauen. Der schmiegte sich doch tatsächlich an mich. Ganz zart, weich und warm war er. Richtig kuschelig. Nur ... mir war nicht nach Kuscheln. Ich hatte diese böse Unruhe. Sagte ich schon, dass ich was tun MUSSTE?
Ich streichelte den kleinen Kerl noch mal ganz lieb, man ist ja kein Unmensch und drückte ihn dann blitzschnell unter Wasser. In der rostigen Regentonne. Dabei sah ich ihm in die Augen. Ich wollte sehen, wie das Vertrauen daraus wich, die Neugier, das Leben. Ich glaube, ich wollte damals erstmals auch diese wunderbare Angst sehen. Die Panik. Das Erkennen. Und endlich das Sterben. Aber, verdammt noch mal, ich war so jung und unerfahren. Der Hund war so klein, aber er wehrte sich und das Wasser spritzte und ich sah NICHTS! Verstehen Sie, dass ich da erst so richtig wütend wurde? Na gut, tobte ich innerlich, dann stirbst du eben, weil du mir alles versaust. Es war schnell vorbei.
Beim Zweiten würde ich klüger sein. Und ich war klüger. Ich griff noch mal in den Korb. Dieses Mal wollte ich ihm in die Augen sehen können. Ich erwürgte ihn.
Und ich sah, was ich sehen wollte. Und während ich zusah, wie der Tod die Panik bannte, wie alles Leben aus den gerade noch quicklebendigen Äuglein wich, durchraste mich eine heiße Welle. Ein Gefühl, wie ich es nicht einmal nachts unter meiner Bettdecke erlebt hatte nahm mir erst die Luft und dann, endlich, diese elende, peinigende Unruhe. Ja, da staunen Sie, nicht wahr? Ich war ein verdammt frühreifes Kerlchen für mein Alter. Ich fiel erschöpft ins Gras und fühlte mich so gut, wie ein 14-jähriger sich nach seinem ersten Hammer-Orgasmus nur fühlen kann.
An diesem Abend erzählte ich sogar einen Witz beim Abendbrot. Keiner lachte. Meine Brüder schauten mich blöde an. Die begriffen eh nie was. Der Blick meiner Mutter und vor allem ihr Ton klangen misstrauisch, als sie mich fragte: "Hast Du was angestellt?" Ich musste künftig

Seiten

Mehr von Thery Trojan lesen

Interne Verweise