Sommergedanken

Bild von Annelie Kelch
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Schneller als sonst vergeht im Sommer die Zeit;
das Leben lächelt uns zärtlich zu - durch die Blume.
Wo Liebe hinfällt, wachsen rote Rosen.
Die Sonne macht keine sozialen Unterschiede:
Jeder darf sich an ihrem Feuer wärmen.
Ihre heißen Zungen bringen die kältesten
Steine zur Glut – Eidechsen liegen
ihnen zu Füßen.

Wenn die Sonne ins Meer taucht,
bin ich noch längst nicht müde.
Deine festen, entschlossenen Schritte,
ein kluges Maß, erwarte ich voller
Sehnsucht und schließe die Tür hinter uns ab.

Wir schreiben und schreiben – auch nachts -
Romane, in denen wenig geschieht.
Aber die Worte … jedes ist gelogen
und schmeckt nach Himbeereis mit Sahne.
Wir streuen Gedanken aufs Papier
wie andere Pfeffer und Salz in die Suppe.
Ihr dürft davon kosten, soviel ihr wollt.

Irgendwann nehmen wir Abschied
von dieser Welt; sie platzt eh' schon
aus allen Nähten. - Der Tod ist zuverlässiger
als ich; ihn bringt nichts um.
Auch du: zuverlässig wie nie -
du versprichst mir nichts mehr ...

Manchmal hören wir Stimmen:
Sie klingen wir unsere eigenen -
bevor wir uns kennenlernten.

Betrachte den Kopf des Erlösers
von Michelangelo – dann weisst du:
Er hatte nichts anderes im Sinn,
als uns zu retten.

Was du unter Wahrheit verstehst,
mein dummes Lieb', ist nur die Vorstellung
von Wahrheit. - Ich wechsle mehrmals
am Tag meinen Standpunkt:
So komme ich gut durch den Sommer.

heute, am 19.07.2017

Interne Verweise

Kommentare

19. Jul 2017

Nicht nur im Sommer lohnen sich
Solche Gedanken - sicherlich!

LG Axel

19. Jul 2017

Dank, Axel, dir, für deinen Kommentar,
die Kunst des Michelangelo für dies Gedicht ein Anlass war,
mal wieder zu erinnern jenen, der der Nacht die Stimme gab:

Auf die Nacht:
Das schlafend Bild der Nacht siehst du hier, milde
bewegt. Ein Engel hat 's aus Fels gehauen.
Es schläft. Drum magst du seinem Leben trauen.
Erweck' es. Antwort wird dir dann vom Bilde.
Giovanni Strozzi

Die Nacht antwortet:
Gnad' ist der Schlaf mir, steinern Sein ist weise,
heute, wo Schande und Verderben währen.
Nichts sehn, nichts hören ist mein hoch Begehren.
Drum achte meine Ruh'! Ach! Rede leise.
Michelangelo

LG Annelie

19. Jul 2017

Ein Sommergedicht tief und warm
die Muse hat Dich, statt geküsst, umarmt...

Hochsommerliche Grüße zu Dir nach Lübeck
Soléa

19. Jul 2017

Liebe Soléa,
herzlichen Dank für deinen hochpoetischen, sommerlichen Kommentar.

Einen schönen Abend noch - bis bald,
Annelie

20. Jul 2017

Liebe Annelie,

es war toll, Deinen Sommergedanken zu folgen ... vor allem diese Strophe hat es mir angetan:

"Wir schreiben und schreiben – auch nachts -
Romane, in denen wenig geschieht.
Aber die Worte … jedes ist gelogen
und schmeckt nach Himbeereis mit Sahne.
Wir streuen Gedanken aufs Papier
wie andere Pfeffer und Salz in die Suppe.
Ihr dürft davon kosten, soviel ihr wollt."

Da sehe ich doch gleich ein nasses Aquarellpapier vor mir, auf dem die Gedanken wie Farben wunderschön verlaufen :)

Liebe Sommernachtgrüße

Mara

20. Jul 2017

Liebe Mara, ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass dir mein Gedicht(chen) gefallen hat, und gehe davon aus, dass du mindestens so gut malen kannst wie du schreibst. Letzte Nacht habe wirklich zwar nicht geschrieben, aber viel gelesen, und zwar "Die Frau am Pranger" von Brigitte Reimann. Es war das einzige Buch, das ich nicht von ihr kannte und ich stehe immer noch unter dem Einfluss von Poesie - in einem Roman voller Kriegsgräuel. Dieses Buch bekäme von mir mindestens 100 mal "lesenswert".

Liebe Grüße und dir einen schönen Sommertag,
Annelie

21. Jul 2017

Eindrücklich beides, dein Sommergedicht und das Foto. Ich mag deine farbigen, blumigen Gedichte, Annelie.

Liebe Grüße - Marie

21. Jul 2017

Danke, liebe Marie, es freut mich ganz besonders, dass dir das Foto gefällt - ein Kunstwerk von Michelangelo, Bildhauer, Maler, Schriftsteller, Heilpraktiker und noch vieles mehr.

Liebe Grüße,
Annelie