Der eingebildet Kranke

Bild von Haraldsson
Bibliothek

Ein alter Frosch sitzt nachdenklich mir zu Füßen:
„Dein Haar ergraut“, quakt er mich an:
„Ich weiß. Grauer Schnee lässt uns beide grüßen.“
Der Abend dunkelt. Die Nacht schleicht sich heran.

Regentropfen prasselnd an die Fenster klopfen.
Nah dem Teich sitzt eine illustre Krötenschar,
unken mir zu, dass früher alles viel besser war.
Ich sehe Regen von den Dächern tropfen

Vorm Spiegel spricht mich an mein graues Haar:
„Herrchen? Wirst du uns überhaupt gewahr?“
„Ja, graue Haare, ich sehe euch im Spiegel,
ich verspreche es, gebe Brief und Siegel.“

Der Spiegel: „Wenn du mich hast voll im Blick,
wie lange willst du Träger silbergrauer Haare sein?
Deine Haare sind zwar nicht frei von Schick,
leiten aber auch die letzten Lebensjahre ein.“

Mein graues Haar sah ich im Spiegel.
Das Glas zersplitterte. Es war ein Ziegel.

(c) Olaf Lüken (20.10.2020)

Interne Verweise

Kommentare

20. Okt 2020

Zum Thema "Haar"
Kein Kommentar!
(Mit Frosch hat Krause nix am Hut -
Doch KRÖTEN findet sie sehr gut ...)

LG Axel

20. Okt 2020

Das Gedicht ist sehr gut, aber ich erlaube mir, bitte verzeih,
darauf hinzuweisen, dass es eigentlich der "eingebildet
Kranke" heißen muss, zwingend.

Der eingebildet Kranke (im Original Le Malade imaginaire,
wörtlich "Der eingebildet bzw. vermeintlich Kranke",
deutschsprachig zumeist unter dem irrigen Titel "Der
eingebildete Kranke" aufgeführt) ist eines der berühmtesten
Theaterstücke von Molière. Du beziehst Dich auf ihn. Das
ist soweit ganz in Ordnung. Aber es kann auf gar keinen
Fall ein eingebildeter Kranker sein, der hier in der Wut
einen Ziegelstein gegen den Spiegel schleudert. Das
muss zwangsläufig ein eingebildet Kranker sein. Ich
wollte das nur mal richtig stellen. Sei mir nicht böse.

Gruß von Garfield

21. Okt 2020

„Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren“:
Die ich, nicht ganz ergraut, seit vielen Jahren schon trage.

Liebe Grüße
Soléa

21. Okt 2020

Man ist so alt wie man sich fühlt,
doch wenn man so manch 'Junge' ansieht,
wie sie die Köpfe gesenkt ins Smartphone vertieft durch die Gegend schlürfen....
und dabei das Leben an ihnen vorbeiläuft!

LG Uschi