Worte aus Porzellan

Bild von Kerim Mallée
Bibliothek

Im letzten Zug aus der Stadt
liegt warme Abendluft,
die den Sommer ahnen lässt.
Zwischen Arbeitern, Bänkern,
Kindern und Studenten,
zwischen Menschen die lesen,
Menschen die Musik hören,
Menschen die küssen und
Menschen die Bierdosen halten,
sitzt ein Junge,
mit seinem Notizbuch auf den Knien.
Sein aus dem Zugfenster gewandter Blick,
kreuzt heimkehrende Schwalben.
„In meinen Gedichten
geht es so oft um Zugvögel.“
denkt er und schreibt es auf.
Schreibt von einem anderen Leben,
das man nicht zu leben gewagt hat.
Sehnsucht geht so oft ins Ungewisse
und die Worte sind nur eine Chiffre,
anders lässt sich die geheimnisvolle Fremdheit
nicht beschreiben.
Er schreibt über ein Mädchen,
sie singt über ihn und
sie hat von den Gitarrensaiten Hornhaut
an den Fingern.
Sie laufen über einen Strand,
der das Meer vertrieben und sich zu einer
endlosen Wüste ausgedehnt hat.
Der weiße Sand vermischt sich
mit dem Schweiß auf ihrer Haut,
bildet eine Kruste und sie werden zu Glas.
Sie denkt:
„Die ganze Zeit, die vor uns liegt,
hat etwas bedrohliches.“
Er zählt die Tage, die zermalmen.
Sie beide würden alles geben,
um noch einmal das Meer zu sehen.

Du sprichst deine Worte vorsichtig,
als wären sie zerbrechlich.
Du sprichst in einer wundervollen Lautlosigkeit,
die keine Irrlichter duldet.
Du sprichst,
als würdest du Porzellan verkaufen.

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