Gefährlicher Sommer (Teil 24) - Page 4

Bild von Annelie Kelch
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die Flucht!“
„... und dem Fass den Boden aus“, ergänzte Konny schadenfroh.
„Oskar!“, parierte Hannes. Wir lachten.
Dann sagte ich mit ernster Stimme: „Das war kein Heiratsantrag, sondern eine Feststellung, vollendete Tatsachen, von denen ich nicht die geringste Ahnung hatte. Du hast mich überhaupt nicht gefragt. So geht das nicht.“
„Dann frage ich dich jetzt“, grinste Hannes.
„Möglicherweise nächstes Jahr“, sagte ich. „Ich fühle mich noch nicht reif genug für eine Ehe.“
„Faule Ausrede“, motzte Hannes.
„Lasst jetzt den Blödsinn“, mischte sich Konny ein. „Wo wollt ihr hin?
„Ihr kennt doch das kleine Fichtenwäldchen hinter den Maisfeldern?“, rückte Hannes endlich mit der Wahrheit heraus. „Das gute Stück soll ausgerodet werden. Euer Onkel Axel, was mein Vater ist, will dort eine Kartoffel­hazienda errichten. Die Gnädigste wünscht dringend reich zu werden.“
„Quatsch! Durch den Verkauf von Kartoffeln wird man doch nicht reich!“, sagte Konny verächtlich.
„Hannes' Vater hat gesagt, dass die Bäume dort nicht mehr gesund sind“, mischte ich mich ins Gespräch. „Wir wollen uns die Chose mal genauer ansehen. Kommt ihr mit?“
„Klar“, riefen Konny und Kora wie aus einem Mund.
„Was mich allerdings verwundern würde, wäre, wenn Helge sich damit einverstanden erklärt. Der Wald ist doch sein Ein und Alles.“
„Ach ja?“, fragte Hannes und sah Konny neugierig an.
„Und woher stammt diese Weisheit?“
„Also ... Tante Karla hat meiner Mutter neulich erzählt, dass Helge ganz stolz auf das riesige Waldgebiet sei, das er einmal erben wird. Er hält sich furchtbar gern darin auf und will noch vor dem Winter Schneestützen für die Kiefern bauen, damit die Äste unter der Schneelast nicht abstürzen.“
Hannes bekam einen derart hysterischen Lachkrampf, dass es uns nicht schwer fiel, an seinem Verstand zu zweifeln. Er hielt sich den kleinen Bauch und krümmte sich vor Heiterkeit.
„Schneestützen für die Kiefern!“, rief er und schlug sich mit der Handfläche dreimal an die Stirn, dass es nur so klatschte.
„Dass ich mich nicht rotto lache! Weshalb strickt er ihnen nicht gleich Pudelmützen, damit sie im Winter nicht frieren? Und überhaupt! Für welche Kiefern denn? Vielleicht für seine drei Lieblingsexemplare? Wenn er für jede Kiefer im Lachauer Forst auch nur eine Schneestütze konstruieren wollte, wäre er in hundert Jahren noch nicht fertig damit. So ein Dämel! Ihr glaubt ja wohl alles, was die Gnädigste euch auftischt, Konny, Klassenbester, Mathegenie, Lateintitan! Warum nimmt sich Helge, dieser überaus merkwürdige Naturfreund, nicht auch noch vor, Strohmanschetten an jeden Baumstamm zu binden, damit die Schadinsekten ihre Eier dort ablegen können? Hehe! Das wäre doch was!“
„Und was wäre damit gewonnen, Hannes?“, fragte Konny leise. Sein Kopf sah plötzlich auffallend rot aus, so puterrot, als wollte er jeden Moment explodieren.
„Na, im Frühjahr, vor dem Ausschlüpfen der Larven, würde das Stroh natürlich verbrannt werden“, ereiferte sich Hannes. „Aber für eine derartig ungiftige Schädlingsbekämpfung ist der Lachauer Forst klaro viel zu groß.“
„Hmmmh“, machte Konny.
„Aber das wäre doch etwas für die Bäume im Park!“, rief ich voller Begeisterung. „Du solltest dir diese Art von biologischer Schädlingsbekämpfung unbedingt patentieren lassen, Hannes!“
„Ach, das ist doch ein uralter Trick“, wehrte Hannes bescheiden ab.
„Wie geht es eigentlich Kai?“, wandte ich mich an Kora, die auffallend still geworden war.
„Danke, Katja! Dem geht es prima! Er kommt am Sonntag nach Lachau. Mutter hat ihn zum Kaffeetrinken eingeladen. Sie möchte ihn gern näher kennenlernen. Seid ihr auch mit von der Partie?“
„Mal sehen, ob wir dann Zeit haben“, kam Hannes mir zuvor. „Aber weshalb erfahre ich erst jetzt, dass dein Schlagzeuger im Anmarsch ist?“, brummte er.
„Wann, bitte sehr, hätte ich dir davon erzählen sollen?“, fragte Kora gereizt. „Du treibst dich doch die meiste Zeit auf dem Gut bei Katja herum.“
„Oder in Lübeck! Über Nacht! Auch mit Katja!“, grinste Konny.
„Nur kein Neid“, konterte Hannes.
Endlich fuhren wir los.
„Dort hinten! Seht ihr?! Lauter Waldgerippe! Na, diese bräunlichen dünnen Fichten!“, rief Hannes nach einer Weile und drehte sich zu uns um. „Das muss das Waldstück sein, das mein Vater ausroden will. – Echt ein trauriger Anblick! Dabei sind Bäume im Allgemeinen sehr zäh, viel zäher als Menschen."
„Das kann aber nicht allein der böse Borkenkäfer, im Übrigen auch ,Buchdrucker' genannt, der sich munter in die Rinden bohrt, angerichtet haben“, sagte Konny, als wir uns den Bäumen näherten.
Die licht stehenden, spillerigen Fichten waren kleinwüchsig, mit dürren Ästen, und in der Belau­bung extrem schütter. Sogar das Gestrüpp, das zwischen den verkrüppelten Bäumen wuchs, wirkte ausgesprochen mager.
„Die sehen tatsächlich extrem krank aus, und obendrein sind sie auch noch stark verfegt und verbissen.“ Konny schüttelte bedauernd seinen Kopf.
„Klar“, schrie Hannes. „Hier hat Kora sich ihre Hörner abgestoßen.“
„Halt deine Gosche“, fauchte Kora wütend. „Ich hatte nie Hörner. Aber du! Pass bloß auf, dass deine Zukünftige dir nicht irgendwann welche aufsetzt ... weil du nämlich ein richtiges Miststück bist.“
Hannes machte eine wegwerfende Handbewegung, ließ sich auf einen umgestürzten, entwurzelten Baumstamm fallen und grinste.
„Hört jetzt endlich auf mit eurem ewigen Streit“, empörte sich Konny. „Du bist doch das Allerletzte, Hannes. Du nimmst das Leben überhaupt nicht ernst.“
„Nee“, griente Hannes. „Wozu auch?“
„Das Grinsen wird dir noch vergehn, Halunke. Spätestens, wenn du im Sterben liegst“, prophezeite Konny.
„Bis dahin, Cousin, bist du längst unter der Erde“, sagte Hannes.
„Wusstet ihr eigentlich, dass die Bauern früher ihr eigenes Pflaster hergestellt haben, aus Fichtenharz?“ Konny sah uns fragend an.
„Nee, wie das denn?“, fragte Hannes. Seine Stimme klang betont desinteressiert.
„Sie haben das Harz gekocht und Fett dazugegeben. Einen besseren medizinischen Wundverband, der sogar Entzündungen heilt und dazu noch so billig ist, gibt es auf der ganzen Welt nicht.“
„Ganz wie der Herr Quacksalber meinen“, giftete Hannes.
Hoch oben in den Fichtenkronen erspähten wir eine beträchtliche Anzahl toter Zweige. Aus der vertrockneten Erde, zwischen bräunlichem Moos, vertrockneten Fichtennadeln und Unmengen von Ameisenhaufen, wucherte büschelweise saftarmes, borstiges Gras, wie ich es niemals zuvor im Lachauer Forst gesehen hatte. Einzelne von den letzten Herbst- oder Frühjahrsstürmen herabgeschmetterte Stämme lagen kreuz und quer zwischen Glockenblumen und Brennesseln und faulten wie Leichen vor sich hin, während andere bereits gespalten und zu Stapeln geschichtet waren. In der Luft hing jedoch immer noch ein Hauch von lebendigem Holz.
„Die liegen hier ja rum wie bestellt und nicht

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Kommentare

01. Dez 2017

Die Mischung, sie stimmt! Nach wie vor:
Hochspannung trifft auf Humor ...

LG Axel

01. Dez 2017

Dank, lieber Axel, dir, für deinen Kommentar.
Herr Fuchs ist jetzt im Anmarsch, jener Kommissar.

LG Annelie

01. Dez 2017

Wie das wohl weiter geht ?
Ich bin gespannt und warte !
Gruß,
Volker

02. Dez 2017

Danke, lieber Volker, für deinen Kommentar. Ehrlich gesagt: Ich bin genauso gespannt wie du; weiß auch nicht mehr ganz genau bzw. nicht wortwörtlich, wie es weitergeht.

Liebe Grüße,
Annelie

02. Dez 2017

Wieder spannend der Text ...
Annelie-like gelungen die Collage ...
ent- zückend das kleine Mädchen; bist du das?

Liebe Grüße - Marie

02. Dez 2017

Liebe Marie, danke für deinen Kommentar. Ja, das kleine Mädchen war ich - im zweiten Schuljahr. Noch konnten wir lachen, denn wir hatten eine besonders gute Lehrerin: Fräulein Bergenthal, die uns am Ende des dritten Schuljahres leider verließ. Danach verging uns das Lachen.

Liebe Grüße,
Annelie

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