Café au lait 2

Bild von Monika Jarju
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Ihr Mann sitzt mit dem Rücken zum Eingang, sein Blick schweift durch den staubigen Raum über die fleckigen Postkarten an den Wänden. Hinter einer Glasvitrine stecken auf grauen Samtpolstern kleine Metallabzeichen und Münzen aus aller Welt. Ein staubiges Sammelsurium hat hier zusammengefunden. Im Halbdunkel des Raumes erscheint Helen der blendend helle Türausschnitt wie der Ausgang aus einer Höhle. Zögernd nippt Boubacar am Tee, versucht das Glas dabei kaum zu berühren. Die Süße und Schärfe des Tees erfrischen sie beide wohltuend. Boubacar lehnt sich zurück, die Augenlider halb geschlossen wie morgens beim Frühstück im Hotel. Wie ein Fremder kommt er ihr vor, so selbstverloren in diesem ihm fremden Land. Helen fühlt sich verlassen wie zu der Zeit als sie ein kleines Mädchen war, plötzlich allein vor einer Bäckerei stand und sich fürchtete. Nur er konnte auf diese Weise einfach vor ihren Augen verschwinden und sie allein zurücklassen.

Sie konzentriert sich auf die Szenerie draußen. Männer nähern sich dem Eingang, blicken ihr unverschämt in die Augen, drehen unverhohlen ihre Köpfe, bis sie aus ihrem Blickbereich verschwindet. In ihren Armen beginnt es zu kribbeln. Sie versucht es auszuhalten, wendet das Gesicht zur Seite, ärgert sich über ihre Hilflosigkeit, zwingt sich empört den Blicken standzuhalten. Wut steigt in ihr auf, gibt ihr Kraft. Sie fühlt eine ungekannte Verachtung in sich wachsen. Gegenüber in einem Straßencafé schlürfen alte Männer ihren Pfefferminztee. In allen Cafés hat sie nur Männer wahrgenommen, bis auf wenige Touristinnen sicherlich. Kleine Jungen eilen mit Baguette-Broten unter dem Arm nach Hause. Eine Frau in einem roten Gewand fegt ihr Haus. Helen schaut einer alten Frau nach, die weiß verschleiert einen Zipfel des Umschlagtuches zwischen die schmalen Lippen presst, die Augen niedergeschlagen, vorübergeht. Gruppen lärmender Touristen mit wabbligen Bäuchen unter farblosen T-Shirts, würdelosen kurzen Hosen, albernen Hüten, Bauchtaschen und umgehängten Kameras, schlendern vorbei. Händler stürzen hinter ihren Ständen hervor, ...

(Fortsetzung folgt)

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Kommentare

10. Aug 2020

Stark! - man braucht nicht in Urlaub fahren!
(Den Staub hab ich ja hier - seit Jahren ...)

LG Axel

10. Aug 2020

Deine Ausdrucksweise ist bemerkenswert.
Man liest, übersieht irgendwann das Geschriebene und lebt in der eigenen Bilderwelt.
HG Olaf

11. Aug 2020

irgendwie erschütternd...real!

LG Alf

11. Aug 2020

Vielen Dank!
Und liebe Grüße, Monika