Eintopf

Bild von Monika Jarju
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Sie geht noch nicht zur Schule, 1960 muss es sein. Täglich fährt sie mit der Mutter früh
am Morgen über eine große Eisenbahnbrücke. Vom Fenster aus sieht sie die Spree.
Dann schließt die Mutter eine Eckkneipe an einem Kreuzberger Ufer auf. Sie folgt ihr
in den dämmrigen Raum mit dem dunklen Mobiliar und atmet abgestandene Luft ein,
säuerlich schal riecht es, nach Bier und kaltem Rauch. Niemand ist da. Sie darf am
Fenster sitzen und warten. Aus einer Illustrierten reißt die Mutter eine Seite, knüllt das
Papier und stopft es in ihren kleinen roten Plastiktopf. „Immer schön umrühren!“, sagt sie
und putzt weiter. Sie rührt und rührt. Manchmal schaut sie aus dem Fenster.
Ein Pferdefuhrwerk hält. Kräftige Männer, hemdsärmelig mit Lederschürzen, steigen
vom Bock, rollen dickbauchige Holzfässer zum Kellerfenster. Die Tür geht auf.
Die Bierkutscher kommen lärmend herein. „Schön umrühren“, mahnt die Mutter
spöttisch und zwinkert den Männern zu. „daraus wird Suppe.“ Noch immer rührt sie
das zerknautschte Papier um. Die Bierkutscher sehen auf das Mädchen herab,
lugen in den Topf, sie grinsen die Mutter an – und wiehern los.

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Kommentare

25. Jul 2020

Riecht sie bei mir Bier,
Wird Krause zum (S)Tier!

LG Axel

26. Jul 2020

Jedem Tierchen sein Pläsierchen...:-)

LG Monika

26. Jul 2020

Meine Kindheit habe ich in ähnlicher Weise zugebraht, wie im Text beschrieben.
Das prägt.
HG Olaf

26. Jul 2020

...ich wiehere mit...

LG Alf

27. Jul 2020

Danke Euch für die Kommentare!
Lieben Gruß,
Monika