Läuterung 027 : Johnny Depps Transzendenz

Bild von Klaus Mattes
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Wenn du in einem amerikanischen Film sitzt und da ist dieser Professor, der macht so Versuche, dass ein Arm Superkraft entwickelt und von alleine heilt, wenn er mal kaputt geht, oder dass ein Affe von dem einen Stuhl auf den anderen gebeamt wird, dann weißt du, das wird bald schief gehen, vor allem, wenn der Gegenspieler von so einem Professor die Erfindung übernimmt, obwohl sie noch nicht ausgereift war. Dann kommen brüllende grüne Rübezahle raus, die sich in viel zu kleine Frauen verlieben, oder Stubenfliegen, die ein tristes Seelenleben erleiden.

Johnny Depp arbeitet als Professor daran, das Wissen, Denken, Erinnern und Fühlen der Menschheit von einem Gehirn in andere zu übersenden. Dann könnte der Mensch mit allen Errungenschaften alles überleben, welche Katastrophen auch immer geschehen mögen. So und wupp, schon muss der Professor sterben, aber vorher lädt er sich selbst ins Internet rüber, damit ihn seine Frau nach dem Tod öfters downloaden kann.

Das gibt erst so ein Hörspiel. Johnny Depp ist jetzt also weg, weil er gestorben ist, aber du hörst ihn immer weiter reden, also seine deutsche Stimme, den Berliner Synchronsprecher und Hörbuchvorleser David Nathan, Jahrgang 1971. Später dann kehrt Johnny Depp als zweidimensionales Bildschirmwesen wieder, aber Kino ist sowieso meistenteils zweidimensional. Mittlerweile sind er und das Internet eins geworden. Das Internet hat einen Körper bekommen und dieser ist Johnny Depp. Johnny Depp weiß jetzt alles, was die Menschheit weiß.

Er weiß immer vorher, wenn ihn jemand abschalten oder ausbomben will. Er verhindert das. Arme hat er zwar noch keine. Also fängt er an, nach und nach alle möglichen Typen, die draußen rumlaufen, einzufangen und sich in sie zu implantieren, sodass er dreidimensional raus und bisschen Action machen kann. Er fließt da so durch die Luft rüber, WLAN, Smartphone, kennt man ja. Gerade warst du eine kleine Nummer in Bad Vilbel, mit deinem fliehenden Haarwuchs, aber jetzt ist der Geist des World Wide Web in dir und Johnny Depp spricht aus deinem Mund. Johnny ist dabei, wenn du denkst, sprichst, Sex hast. Genau, du hast verstanden: Die Menschheit ist identisch mit Johnny Depp, nämlich das fleischlich gewordene Internet.

Das hat enorme Vorteile. Wenn drüben in Bad Nauheim eine Dame etwas schreibt oder liest, du kriegst es immer mit, in Echtzeit.

Der Film legt eine gewissermaßen waghalsige Entwicklung an den Tag. Es reicht Johnny nicht, dass allerorten kleine Depp-Playmobil-Gestalten rumlaufen und er eine unterirdische Weltsteuerzentrale hat. Er muss noch so gigantische Sonnenkollektoren und Sonnen-Kanonen kriegen. Das braucht er. Das will er einfach. Er ist der ökologische Diktator, ich dachte, das wäre inzwischen klar. Jedenfalls, deswegen strahlt überall das Internet so vom Boden herauf, wie es das aus diesen Spielfiguren und aus ihm getan hat. Man will was sehen in philosophischen Filmen. Johnny Depp ordnet die Atome neu, quasi Übergang vom Anorganischen zum Lebendigen, eine zweite Schöpfung. Logisch muss nicht alles sein, wenn man sich einen phantastischen Dystopie-Film aussucht.

Du hast den Sinn seiner Parabel verstanden, nämlich dass alles ein Bild für dich als Knoten im Netz einer kommenden Internetweltliteratur ist. Dort bist du mit allen verbunden und alle in ihr klicken genau wie du. Wohl wahr, dir ist bekannt, dass in den amerikanischen Filmen so ein verrückter Wissenschaftler am Ende platt gemacht wird. Du allerdings bist ausgebufft wie Bébel Belmondo. Dir wird das nicht passieren.