Läuterung 009 : Vom Nicht-Mögen in Texterforen

Bild von Klaus Mattes
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F: „Darf man einen Text gut finden?“
A: „Klar darf man einen Text gut finden.“
F: „Darf man einen Text aber denn auch schlecht finden?“
A: „Schon. Man kann ja nicht immer alle Texte gut finden. Es sind naturgemäß nicht alle Texte gut.“

F: „Darf man es aufschreiben und öffentlich verbreiten, wenn man einen Text gut oder schlecht findet?“
A: „Logisch, das nennt man Literaturkritik. Das ist ehrbares Handwerk.“
F: „Darf man denn in Internetforen Literaturkritik publizieren?“
A: „Aber ja! Gerne! Man kann zum Beispiel schreiben, warum das letzte Buch von Martin Walser nicht so gut war wie das zwanzig Bücher davor. So was liest jeder gern. Man setzt sich irgendwo mit den anderen Meinungen und literarischen Werturteilen auseinander.“

F: „Darf man im Internetforum die Texte von Mitgliedern desselben Forums kritisieren?“
A: „Dafür haben wir die Möglichkeit, die Texte einzustufen, wie auch die Möglichkeit, Texte zu kommentieren. Man kann zu jedem Text seine Meinung kundtun. Da kommunizieren Leute weltweit total frei miteinander. Die Zukunft.“

F: „Ah so. Ja. Ich kann unter jeden Kehrbesen-Text „super“ darunter schreiben?“
A: „Bisschen Kreativität beim Feedback kann nie schaden.“
F: „Oder ich kann auch „Scheiße“ darunter schreiben, wenn ich es „Scheiße“ fand?“
A: „Na ja ... Wir sind ja nicht pingelig. Solche pauschalen Verdammungen, das soll’s eher nicht sein. Man sollte differenzierter, artikulierter, argumentativer agieren.“

F: „Aber ich kann drunter schreiben, dass ich seinen Text nicht gut finde?“
A: „Natürlich. Man muss was ja nicht gut finden, weil es irgendwo dasteht. Man kann das kritisieren. Aber man sollte keine undifferenzierte Sprache vom Stapel lassen. Man sollte andere Leute nicht beleidigen. In so einem Fall wird auch gelöscht. Man kann auch nicht seinen Chef „Arschloch“ nennen, das hat Konsequenzen.“

F: „Ich sage nicht Scheiße über Herrn Kehrbesen als Menschen Kehrbesen. Ich sage Scheiße über Kehrbesens Texte, die er so oft macht. Kann man irgendwo eine Generalrezension über sämtliche Texte vom Kehrbesen schreiben?“
A: „Warum sollte man das nicht können?“
F: „Dass man eine Hitparade machen würde: Die zehn Texte, die mir am meisten auf den Wecker gingen.“
A: „Oh, wunderbar! Mach das mal! Und die zehn, die du am tollsten findest?“
F: „Oder die zehn Autoren, deren Werke mich andauernd nerven.“
A: „Nee, nee. Das bringt nichts außer Unfriede ins Haus. Vielleicht, wenn man die zehn anonymisiert, dass man sie als Kollegen vom Forum hinter den fiktionalisierten Avataren nicht mehr erkennt.“

F: „Aber der Marcel Reich-Ranicki, der konnte sich im Fernsehen hinstellen und einem ganzen Land erzählen, der Walser, der kann zwar vieles, aber keine Romane schreiben. Außerdem ist der Walser streitsüchtig, das hatte Reich-Ranicki auch mal bekanntgegeben.“
A: „Na ja, es nützt dem Martin Walser schließlich nur, wenn der Reich-Ranicki mit ihm streitet. Das wusste der Walser auch, dass es sich in klingender Münze bei ihm daheim auszahlt.“
F: „Am Ende seines Lebens, da war der Doktor Siegfried Unseld schon eine Weile tot, hat der Reich-Ranicki öffentlich gesagt, im Suhrkamp Verlag könne er kein Haus der Kultur mehr erkennen, daher wäre es ihm auch gleich, falls der Verlag ins Fiasko rausche.“
A: „Na, das ist halt sein Image. Als Marcel Reich-Ranicki musst du immer was verreißen, sonst mögen die Leute dich nicht.“

F: „Und einer wie der Kehrbesen kann sich so ein Image nicht auch erarbeiten?“
A: „Na, kann er wohl, in der Frankfurter Allgemeinen, im Fernsehen, natürlich nicht in einem offenen Internetforum, wo sich alle betätigen, die Lust dazu haben.“
F: „Warum denn da nicht?“

A: „Wenn das so 500 Mitglieder sind und deine Meinungsäußerung dann von 250 Leuten gelesen wird, ist das mehr wie ein Verein. Wenn beim Vereinsabend im Taubenzüchterverein der Eine sagt, das ist Scheiße, wie der Andere die Wegbegrenzungshecken zuschneidet, ist das faktisch eine Verunglimpfung unter Menschen, die sich im Sinne der gemeinsamen Sache zur Kollegialität verpflichtet haben. Man kann auch mal einen Tipp geben, wie exakt getrimmte Buchsbüsche aussehen. Sage ich dagegen Schludrian, so zehrt es an der Substanz. Wir sitzen immer alle im selben Boot.“

F: „Und diejenigen, die Texte von mir zensieren?“
A: „Bei uns werden keine Texte zensiert. Hier gilt die Freiheit von Wort, von Kunst und Meinungsäußerung. Es muss allerdings eingeschritten werden, wenn Leute gegeneinander ausgespielt werden sollen, wenn einer mit Totschlagargumenten um sich wirft.“
F: „Wo ist die Grenze? Unter einem Text von Kehrbesen kann ich in meinem Kommentar schreiben, ich finde ihn eintönig, seine Sprache ist farblose Sprache, langweilige Handlung, unglaubhafte Psychologie. Dann schreit Kehrbesen auf, ich würde ihn einen farblosen und langweiligen Menschen schimpfen, der die Menschen nicht kennt.“
A: „Du kannst ruhig mal drunter schreiben, wenn dir was sehr gut gefallen hat.“

F: „Jedoch alles immer gut finden, dazu bin ich nicht verpflichtet.“
A: „Das kann kein Mensch. Das sind immer noch individuelle Meinungen. Dem einen gefällt's, der nächste findet es Schrott. Das gleicht sich aus.“

F: „Also, heute Morgen erst fand ich im Internet den Thread von einer Autorin, da haben sechs Leute geschrieben, dass es Mist ist. Dann kam eine und hat gesagt, das geht so nicht, man darf keine Autoren öffentlich an den Pranger stellen. Paar von der ersten sechs gaben zurück und noch paar Minuten später war der Thread spurlos weg gelöscht. Du sagst ja, zensiert wird nicht. Und insofern hast du Recht, als der Thread im späteren Verlauf des Tages dann wieder drin war, allerdings mit Ausblendung mehrerer Kommentare.“

A: „Hm, lies noch mal, was die ihr serviert hatten, vor allem dein Herr Kehrbesen. Zum Beispiel: „Wenn man aus naiver Geschwätzigkeit die Quadratwurzel zieht, das Ergebnis mit einer Prise Selbstüberschätzung multipliziert, bekommt man eine Userin welche fast wie … ausschaut!“ Das geht so nicht. Der Typ schreibt vor Publikum, sie wäre naiv und geschwätzig, sie überschätze sich. Er macht ein Dummerchen aus dieser Person. Das ist herabsetzend. Da beginnt die verbale Gewalt und enden tut es bei Mord und Totschlag.“

F: „Er sagt aber nicht, sie wäre dumm und geschwätzig, sondern er stellt fest, dass sie in einer bestimmten Art schreibt, eigentlich ja nur, dass sie es an dieser Stelle so getan hat.“
A: „Keiner versteht das so wie du. Alle lesen, er will sie auf hundertachtzig treiben.“
F: „Er muss sie auch nicht gern haben.“
A: „Er kann nicht ihre Gefühle verletzen.“

F: „Also man liest einen Text und denkt, das ist so geschwätzig und das ist von einem Autor, der sich selbst überschätzt. Das kann man jetzt aber so nicht schreiben.“
A: „In einer angemessenen Form sicher. Aber nicht so. Hier: „Einer ihrer Texte reicht, um sich übers literarische Potential solcher Ergüsse absolute Klarheit zu verschaffen.“ Ergüsse ist ehrverletzend.“
F: „Er sagt, dass es sich um die literarischen Ergüsse von ihr handelt.“

A: „Als müsste ein gelangweiltes Bügeleisen zuhören, während die Besitzerin mit ihrer besten Freundin telefoniert.“ Das ist witzig. Er dichtet ihr einfach ein Privatleben an. Das darf er nicht. Oder hier: „Wir bekommen es mit Texten zu tun, die sich stillos ins ungewollt Lächerliche trivialisieren.“ Wir hier im Forum sind tolerant und langmütig. Obwohl das negativ und destruktiv ist und ganz schlechter Stil, kann der so was bei uns schon auch veröffentlichen, wenn es um einen einzigen Text von dieser Kollegin geht. Aber er hier tut so, obwohl er das gar nicht wissen kann, als wäre alles, was sie geschrieben hat trivial, geschwätzig und langweilig gewesen. Vielleicht hat er drei Texte gelesen und 100 nicht, die grandios waren.“

F: „Marcel Reich-Ranicki durfte damals aber noch schreiben, wenn was stillos oder trivial gewesen war.“
A: „Marcel Reich-Ranicki war auch jemand. Dieser Kehrbesen von dir, der ist ein Niemand. Weiter sagt er hier: „Worum geht es dieser Autorin überhaupt? Um die Heroisierung des löslichen Kaffees? Löslicher Kaffee ist ihr Übel zum Wenn und Aber.“ Und so weiter. Effekthascherei, die sich selbst genügen will, sich wichtig machen, indem man Feindschaften aufrührt. Wenn du Zuspruch gibst, dann schenkst du jemand etwas. Wenn du dich aufspielst, gibst du ihm nichts. „Texte wie Flugzeuge, in die kein Suizidaler einsteigen würde, so dermaßen ohne Stil stehen sie hier am Start.“ Der belegt da nicht das Geringste. Hat er uns mal erklärt, was Stil seines Dafürhaltens nach eigentlich ist? Hat er uns gezeigt, wo ihr Text stillos wurde? Er klotzt das in Landschaft wie ein unverschämter Kritikaster.“
F: „Hm ja. Allmählich geht mir ein Licht auf. Wenn man sich jetzt mal in die arme Frau rein versetzt. Wenn so über einen hergezogen würde. Das darf nicht sein. Das war die nackte Rohheit von Kehrbesen.“