Una Ex His Erit Ultima

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nichts besitze ich, nichts, und wenn überhaupt,
vorübergehend, mein Atmen, mein Hoffen, mein

Lieben, alles, was ich gesagt, getan oder nicht getan,
gehört und gesehen habe, es war geborgt,

und doch, wie gut, manche Stunden geschliffene
Edelsteine, unvergessen blinken sie, immer noch,

andere die Hölle, die meisten einfach alltäglich,
Begegnungen, meine Elixiere, das Du und das Ich,

so subjektiv, so fragil und unglaublich vergänglich,
mein geliehenes Glück, vorbei gehuscht im Nu,

und ich versinke im Fühlen, sanftmütige Wehmut
des Augenblicks lädt ein zum Träumen,

geborgen bin ich darin wie im Mutterschoß, und
die Gedanken, sie laufen, laufen zu Euch zurück,

meine Türen, Fenster angelweit offen, ein
Gesprächsgeläut weht sacht herein, Du,

weicher Tag, sei gepriesen, geschenkte Milde
eines späten Sommerabends, still verharrend,

bevor Laub sich von Zweigen löst, mein Leben,
so lang, und doch, wie kurz, ganz bei mir bin ich

im Ahnen, dass Zeit unaufhaltsam ist und ewig,
und ich weiß, Una Ex His Erit Ultima

Una Ex His Erit Ultima heißt: Eine von diesen (Stunden)
wird die letzte sein, der lateinische Sinnspruch ist öfter
auf alten Stand- und Sonnenuhren zu lesen

Kommentare

06. Sep 2018

Geborgte Dinge soll man pflegen -
Und sie stets mit VERStand bewegen ...

LG Axel

06. Sep 2018

Die Zeit kann rasen oder schleichen -
nichts hält sie auf, nie wird sie reichen …

LG und Dank
Marie

06. Sep 2018

Im Auf und Ab
Zur Sonne Schatten
Eine wird die Letzte sein -
Es verbreitet hier sich
Lebensweisheit so anschaulich
wie einprägend gefühlvoll im Gedicht -

07. Sep 2018

Welche die letzte sein wird, das wollen und können wir nicht wissen, es ist aber heilsam, wenn man dieses "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden" - immer im Hinterkopf hat, man lebt dann gelassener ...

liebe Grüße und danke
Marie

07. Sep 2018

Wohl wahr - und ganz liebe Wochenendgrüße zurück, die ich in lauter Eile dann vergaß ;) - Yvonne

07. Sep 2018

Non possidentem multa recte vocaveris beatum. Omnia mea mecum porto.
Den, der viel besitzt, nennt man zu Unrecht glücklich. Ich trage all das Meinige bei mir.

Danke für dieses Gedicht, liebe Marie. Ja, wir haben alles nur geliehen. Darüber hinaus halte ich "leihen" und "wiederbringen" für eine gute Sache; aber das nur am Rande; Dein Gedicht hat einen ernsteren, tieferen Charakter, den ich wohl erkannt und für gut gefunden habe.

Liebe Grüße,
Annelie

07. Sep 2018

Danke, Annelie, auch für den lateinischen Sinnspruch, ich liebe diese klare Basissprache, die leider etwas aus der Mode kommt, sie war meine zweite Femdsprache vor langer Zeit, omnia mea mecum porto, das ist ein Zitat von Cicero, das sich auf den Philosophen Bias etwa aus dem Jahr 570 v.Chr. bezieht, ich habe nachgelesen, und "Una Ex His Erit Ultima" kenne ich auch von der Standuhr meiner Großeltern, er passt gut zu Uhren jeder Art und auch zu unserem Leben ...

liebe Grüße - Marie

Detmar Roberts
07. Sep 2018

Ein grundlegend wichtiger, sinnvoller Lebensansatz, Marie, man hängt viel zu sehr an seinem Besitz. Bei mir wurde vor ein paar Jahren eingebrochen, die Briefmarkensammlung wurde gestohlen, die ich von meinem Vater geerbt hatte. Es war weniger der materielle als der ideelle Verlust, der mich getroffen hat. Bei der Gelegenheit habe ich darüber nachgedacht, wie sich das für Geflüchtete aller Zeiten anfühlen muss, die nur ihr Leben retten konnten und ihren gesamten Besitz mit allen Erinnerungen aufgeben mussten, er war doch Teil ihrer Identität, ja, es ist gut, wenn wir „Una Ex His Erit Ultima“ immer im Sinn haben, er trifft den Kern, sozusagen.
Grüße zu Dir
D.R.

07. Sep 2018

Bei mir war es ein geerbter Familienring, der am Strand im Sand verloren ging, ich habe lange um ihn getrauert, und Du hast sehr Recht, an die Flüchtlinge zu erinnern oder an die Ausgebombten der Kriege, schließlich aber lassen wir ALLE irgendwann alles hinter uns, auch deshalb sollte man nicht zu sehr auf "Besitzen" aus sein ...

LG zu Dir Marie

07. Sep 2018

Für dieses tiefsinnige Gedicht, das wie ein Gebet anmutet, vielen Dank, liebe Marie. Wie schön wäre es, würden derlei Texte als spirituelle Wegweiser für die Allgemeinheit fungieren. Zumal das klassische 'Daherleiern' althergebrachter Worte (Gebete) an Zauber verloren hat.

Liebe Grüße
Monika

07. Sep 2018

Danke, Monika, es stimmt, dass althergebrachte Gebetsformeln teilweise den Zauber verloren haben, ich bedaure das deshalb, weil man Rituale braucht, Ausnahme ist für mich das Urgebet der Christen, das "Vaterunser", dessen Inhalt sich über Konfessionen hinweg an alle Menschen richtet, ich hoffe, es bleibt erhalten ...

Liebe Grüße zurück zu Dir
Marie

07. Sep 2018

Ein wunderschönes Gedicht, liebe Marie!

07. Sep 2018

Dafür danke ich Dir, lieber Uwe ...

LG Marie

07. Sep 2018

Ein großartiger Satz mit vielen Weisheiten!

Danke dafür
Willi

07. Sep 2018

Lieber Wlli, mein Dank geht an Dich zurück ...

Marie

08. Sep 2018

ja Marie,da reicht mein Latein.
Es ist ein zentrales Thema existenzieller Philosophie,
für die ich seit Kindesbeinen eine Disposition habe.
Sterblichkeit war,ohne äußeren Anlass in einer schönen
Kindheit der 50iger Jahre , schon immer ein Teil
meiner Gedanken.Nach 60 Jahren scheine ich für mich
eine Lösung gefunden zu haben. Camus,Sartre . . .
und den Gedanken immer wieder üben,damit er authentisch wird.
Aus dem nichts ins nichts.Und dazwischen unser Leben,welches wir
mit Sinn füllen müssen, ohne Vertröstugen . . . in Autonomie.
Die Sternstunde dazu war für mich eine Sendung über Camus,in deren Verlauf
Iris Radisch die Essenz der Philosophie des Absurden in zwei Minuten quasi
neu definierte.Ich musste weinen,so sehr fühlte ich mich verstanden.
Sollte ich das in einer Mediathek von Arte noch finden.schicke ich den Link dazu.

Dein Gedicht ist exzellent.
ulli

08. Sep 2018

hier noch der Link : https://youtu.be/-zGA9vmQpeE
für Eilige und doch Interessierte ab Minute 33 etwa und dann kommt auch gleich das beeindruckende Plädoyer von Iris Radisch.
ulli

08. Sep 2018

Danke, Ulli. Sowohl für das Lob als auch besonders für den Tipp, für den Link. Sterblichkeit war in der Zeit, als ich aufwuchs, ein Teil des Alltäglichen, man verdrängte, so gut man konnte. Dir ein gutes Wochenende.

Marie