Neues Buch von Dr. Daniel Henzgen: "Der Mensch, das Spiel und der Zufall"
Kaum ein kulturelles Phänomen hat sich so hartnäckig durch die Geschichte geschlängelt wie das Spiel um Einsatz und Zufall. Es fasziniert seit Jahrtausenden, entzweit Moralhüter und Gesetzgeber und zieht doch Menschen aller Schichten magisch an.

- Warum Menschen spielen und was das über die Gesellschaft verrät
- Der Zufall als anarchisches Moment – ein Störfaktor im geordneten Leben?
- Von der antiken Arena bis zur Spielhalle
- Ein kritischer Blick auf die Spielpolitik
- Warum der Begriff „Glücksspiel“ problematisch ist
- Spiel als kulturelles Erbe und politischer Möglichkeitsraum
- Fazit: Mehr als ein Buch über Spiel!
Bereits im Frühjahr 2025 haben Dr. Daniel Henzgen von Löwen Play und Dominik Meier von Miller & Meier Consulting diesem vielschichtigen Thema ein Werk gewidmet, das weit mehr ist als eine nüchterne Analyse: „Der Mensch, das Spiel und der Zufall“ ist ein breit angelegtes Plädoyer, eine kulturhistorische Spurensuche und eine politische Streitschrift in einem.
Warum Menschen spielen und was das über die Gesellschaft verrät
Der Reiz des Spiels beginnt lange bevor der erste Einsatz gemacht wird. Er steckt in der Erwartung, im Moment des Zufalls selbst und in der besonderen Atmosphäre, die Spielorte erzeugen. Ob es um Würfel im antiken Athen geht oder um blinkende Automaten in einer modernen Spielhalle – der Kern bleibt derselbe: Es ist ein bewusster Schritt in eine andere Welt, in der Hierarchien und Alltagsregeln ausgesetzt sind.
Das Buch legt dar, wie sehr diese Auszeit von festen Strukturen ein Stück gesellschaftlicher Freiheit verkörpert. Spielen bedeutet nicht nur, das Glück herauszufordern, sondern auch, Kontrolle abzugeben und zu akzeptieren, dass der Ausgang nicht planbar ist. Die Autoren lesen darin einen Spiegel der Gesellschaft, in dem sich Machtverhältnisse ebenso abzeichnen wie Sehnsucht nach Gleichheit und Teilhabe.
Der Zufall als anarchisches Moment – ein Störfaktor im geordneten Leben?
Zufall ist nicht einfach eine mathematische Größe. Er ist ein kultureller Gegenspieler zu Ordnung und Planbarkeit. Wer spielt, entscheidet sich freiwillig für eine Begegnung mit Unsicherheit. Das Buch interpretiert diesen Schritt als eine Art Training für Selbstbestimmung, denn er erfordert Mut und die Bereitschaft, Konsequenzen zu tragen.
Gerade dieses anarchische Element macht das Spiel zu einem Ort, an dem gesellschaftliche Grenzen verschwimmen. Der Banker sitzt neben dem Handwerker, beide blicken auf dasselbe Roulettefeld. Die Regeln des Alltags gelten nicht, die des Spiels hingegen umso strenger. Es entsteht ein Raum, in dem das soziale Gefälle schmilzt und das Ergebnis allein von der Drehung einer Kugel oder dem nächsten Kartenschlag abhängt.
Von der antiken Arena bis zur Spielhalle
Die Geschichte des Spiels ist ein Rundgang durch die menschliche Kultur. Im antiken Rom galten Würfelspiele als göttliche Botschaft, in Asien wurde das Schachspiel als strategische Schule der Herrscher angesehen, im Europa des Mittelalters stand das Losverfahren manchmal über Blutlinien. Überall taucht die Verbindung von Zufall und Bedeutung auf.
Im 19. Jahrhundert wandelten sich diese Praktiken zu kommerziellen Formaten. Lotterien, Spielbanken und später Spielautomaten machten das Spiel zum Wirtschaftsfaktor. Mit der Industrialisierung und den ersten staatlichen Regulierungen begann gleichzeitig der Streit um Moral und Maß.
Die Geschichte zeigt, wie sich die Wahrnehmung immer wieder verschob – vom Orakel über die Freizeitbeschäftigung bis hin zum potenziellen gesellschaftlichen Problem.
Ein kritischer Blick auf die Spielpolitik
Die Autoren nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn es um die heutige Regulierung geht. In ihrer Analyse sehen sie zu viel Paternalismus und zu wenig Vertrauen in die Selbstbestimmung des Einzelnen. Föderale Unterschiede führen zu teils absurden Regelungen, bei denen sogar die Bestuhlung von Spielhallen oder die Verfügbarkeit von Trinkwasser zum Politikum wird.
Gleichzeitig bleiben digitale Angebote oft außerhalb eines wirksamen Kontrollrahmens. Netzsperren gegen illegale Anbieter sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, während Schutzmechanismen wie das LUGAS-System nicht konsequent umgesetzt werden. Das Buch macht klar, dass dieser Flickenteppich an Regeln zwar gut gemeint sein mag, aber selten jene Balance findet, die zwischen Schutz und Freiheit nötig wäre.
Warum der Begriff „Glücksspiel“ problematisch ist
Worte prägen Wahrnehmung. „Glücksspiel“ ist in der öffentlichen Debatte längst mit Sucht, Abhängigkeit und gesellschaftlichem Schaden verknüpft. Die Autoren schlagen daher vor, den Begriff „Gewinnspiel um Einsatz und Zufall“ zu verwenden. Diese Formulierung wirkt sperrig, doch sie löst sich vom moralischen Ballast und eröffnet den Raum für eine sachlichere Diskussion.
Indem die Bezeichnung neutraler wird, verliert das Spiel nicht automatisch seinen Reiz, aber es wird schwieriger, pauschal ganze Branchen oder Gruppen zu stigmatisieren. Sprache, so der Gedanke, ist der erste Schritt zu einer differenzierten Regulierung, die Spielfreude nicht unter Generalverdacht stellt.
Spiel als kulturelles Erbe und politischer Möglichkeitsraum
Das Buch verweist immer wieder darauf, dass das Spiel weit mehr ist als eine ökonomische Aktivität. Es ist eine kulturelle Praxis, die über Jahrhunderte hinweg Gemeinschaften geprägt hat. Spielplätze dieser Art sind soziale Treffpunkte, an denen Menschen gleichberechtigt nebeneinander agieren können – unabhängig von Herkunft, Beruf oder sozialem Status.
Aus dieser Perspektive wird das Spiel zu einem politischen Raum. Wer hier teilnimmt, übt Teilhabe, wer verliert, lernt, mit Rückschlägen umzugehen. Die Autoren verstehen dies als Plädoyer, den Menschen den Zugang zu diesen Räumen nicht unnötig zu erschweren. Eine Gesellschaft, die Spielfreude akzeptiert und nicht nur reguliert, eröffnet mehr Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung.
Fazit: Mehr als ein Buch über Spiel!
„Der Mensch, das Spiel und der Zufall“ liest sich nicht wie ein Fachbuch, das in staubigen Bibliotheken verstaubt, sondern fast wie Prosa. Es verbindet analytische Tiefe mit erzählerischer Weite und öffnet den Blick auf ein Thema, das im öffentlichen Diskurs oft verengt wird. Statt das Spiel reflexhaft als Risiko zu behandeln, plädieren die Autoren für eine differenzierte Sicht, die den kulturellen Wert anerkennt.
Es bleibt der Eindruck, dass es hier um weit mehr geht als um Roulettekugeln oder Spielkarten. Das Werk stellt die grundsätzliche Frage, wie viel Freiheit eine Gesellschaft ihren Mitgliedern zugesteht und welche Rolle der Zufall dabei spielen darf.
Wer dieses Buch liest, erfährt nicht nur, warum Menschen spielen, sondern auch, was das über ihre Sehnsucht nach Selbstbestimmung aussagt. Ein echter Lesetipp!