Lehrreiche Sachbücher - das drittbeliebteste Genre der Deutschen
Wissen ist Macht. Nicht umsonst sind Sachbücher das drittbeliebteste Genre der Deutschen. Nur Krimis und Thriller finden noch mehr Interesse.
Überhaupt ist das Land der Dichter und Denker bei aller Veränderung im Freizeitbereich eine Nation der Leser geblieben. Allein 2021 kauften 2,6 Millionen Einwohner der Bundesrepublik 20 und mehr Bücher im Jahresschnitt. Zwischen 10 und 19 Bücher kauften 3,74 Millionen Leute im Jahr 2021, auf 5 bis 9 neue Bücher in dem Jahr kamen 8,36 Millionen Personen. Rund 10,75 Millionen Leute legten sich 3 bis 4 neue Bücher zu, und auf 1 bis 2 Schmöker kamen weitere 11,38 Millionen.
Dabei bleiben traditionelle Taschenbücher und gebundene Bücher die bevorzugte Wahl. Der Anteil von E-Books am Umsatz im deutschen Buchmarkt lag 2020 erst bei 5,9 Prozent. Rund 35,8 Millionen digitale Bücher gingen in dem Jahr über den realen und virtuellen Ladentisch.
Die meistverkauften Sachbücher aller Zeiten weltweit beschäftigen sich mit Religion und Politik, wobei Mao Tse-Tungs „Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung“ und das „Manifest der Kommunistischen Partei“ von Karl Marx und Friedrich Engels die Liste anführen.
Modernere Werke, wie Napoleon Hills „Denke nach und werde reich“ und andere Ratgeber zum Thema Geld, aber auch Gesundheits- und Kochbücher schaffen es ebenfalls in die Liste der Millionenseller.
Bücher rund um die deutsche Politik erlebten im vergangenen Jahr, durch die dank Angela Merkels Rückzug als besonders wichtig empfundene Bundestagswahl, einen Schub in heimischen Landen. Die Linken-Politikerin und Ökonomin Sahra Wagenknecht schaffte es mit ihrer Milieuabrechnung „Die Selbstgerechten“ genau wie Grünen-Chef Robert Habeck mit „Von hier an anders“ auf einen der Spitzenplätze in der Spiegel-Sachbuchbestsellerliste.
Ums Wissen und Lernen geht es den meisten Sachbuchlesern, wobei die Interessen genauso weit gefächert sind wie der Stil der Werke.
Vielfach dienen Bücher dazu, beruflich oder im Hobby Fortschritte zu machen und von Experten leicht verständliche Tipps zu bekommen. Pokerprofi Dominik Nitsche nennt zum Beispiel Dan Harringtons Bücher über Pokerturniere als größten Einfluss für seine eigene Poker Strategie. „Biggest Loser“-Gewinnerin und Kochbuchautorin Alexandra Gregus lässt sich seit jeher von Kochbüchern inspirieren.
Weil schon Shakespeare wusste, dass es mehr Ding zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt, sind naturwissenschaftliche Bücher mit jeder neuen Entdeckung oder wissenschaftlichen Diskussion begehrte Lektüre. Je einfacher die komplexen Sachverhalte erklärt oder Fragen erläutert werden, desto besser. Obwohl Physik-Nobelpreisträger Stephen Hawking seit Jahren aus den Bestsellerlisten nicht wegzudenken ist, sind seine Werke eher für Fortgeschrittene. Bücher wie „Eine kurze Geschichte von fast allem“ des Journalisten und Schriftstellers Bill Bryson hingegen, in dem er die Faszination und Wissbegierde des interessierten Laien mit der Expertise des begabten Rechercheurs und Interviewers verbindet, hat einen weitaus breiteren Ansatz und daher seit Jahren auch mit der Kinderausgabe einen Platz in vielen Bücherregalen gefunden.
Anspruchsvolles Wissen und komplizierte Fakten allgemein verständlich zu machen ist das Anliegen der meisten Wissenschaftserklärer. Statt gezielt intellektuell zu klingen, schreiben Chemiker, Biologen, Physiker, Mathematiker und Co. so simpel und zum Teil humorvoll wie möglich, um die Sachbücher gleichzeitig unterhaltsam und belehrend zu machen.
Mit diesem Rezept landete die promovierte Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim 2021 mit „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ auf Platz eins der Sachbuch-Liste. Darin untersucht die Wissenschaftlerin Mythen, Lügen, Halbwahrheiten und Fakten zu Themen wie Videospielen, Gewalt, Gender Pay Gap, Big Pharma vs. Alternative Medizin, Homöopathie, männliche und weibliche Gehirne und anderen Streitfragen der Gesellschaft. Wissenschaftliche Erkenntnisse statt Fake News trafen und treffen dabei nach Ansicht ihrer zahlreichen Fans den Nerv der Zeit.
Den ersten Bestseller hatte Mai Thi Nguyen-Kim im Jahr 2019 mit „Komisch, alles chemisch! – Handys, Kaffee, Emotionen – wie man mit Chemie wirklich alles erklären kann“. Die Chemikerin, die von der zunehmenden Wissenschaftsskepsis der vergangenen Jahre dazu bewogen worden war, ihre Forscherkarriere zugunsten von Wissenschaftsjournalismus aufzugeben, versucht mittels Fakten zwischen den Extremen kritikloser Wissenschaftsbegeisterung und verschwörungstheoretischer Wissenschaftsskepsis für eine mittlere Position zu werben.
Doch auch wenn es nicht um die großen Streitfragen unserer Tage geht, sind Sachbücher beliebt. Dazu gehören mit Vorliebe auch Biografien und Memoiren von Künstlern, Politikern und Figuren der Weltgeschichte. Wenn Komiker Hape Kerkeling von seiner Kindheit berichtet, Barack Obama seinen Werdegang zum ersten BIPoC Präsidenten der Vereinigten Staaten schildert oder der Holocaust-Überlebende, Neurologe und Psychologe Viktor E. Frankl in „...trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ unfassbares Grauen ohne Bitterkeit nahebringt, wird gelesen, miterlebt und vielleicht sogar neues Verständnis geschaffen.
Selbsthilfe und medizinisches Wissen sind ebenfalls begehrte Themen, ob es nun um Ernährung, Rückenschmerzen, Wechseljahre oder den Umgang mit Traumata aller Art geht.
Wer zum Buch greift, um seine Karriere voranzubringen, die Erfahrungswerte aus Jahrzehnten ökonomischer Studien zwecks der eigenen Vermögensbildung heranzuziehen, oder sich einfach nur näher mit einem interessanten Thema zu befassen, findet Jahr für Jahr jede Menge neuen Lesestoff.
Kochbücher und andere praktische Werke stehen seit jeher bevorzugt in deutschen Regalen und Bücherschränken. „Dr. Oetkers Schulkochbuch“ war einer der ersten Bestseller, der sich über Generationen hinweg gehalten hat. Kochen mit Biolek, Alfons Schuhbecks Mittelmeerküche, Sternekoch Yotam Ottolenghis Rezepte oder Vicky Leandros‘ „Ein Hoch auf das Leben“ mit Familienrezepten der griechischen Sängerin sind Verkaufsschlager selbst in Zeiten, in denen ungezählte Rezepte binnen Sekunden gegoogelt oder Schrift für Schritt mit YouTube nachgekocht werden können.
Dabei gibt es allerdings deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Bei den 50- bis 59-Jährigen in der Bundesrepublik lesen fast 28 Prozent täglich oder so gut wie jeden Tag. Bei den 18- bis 29-jährigen sind es nur knapp 15 Prozent. Vor allem Vielleser zeigen sich zudem offen, was die Form anbelangt. Obwohl der überwältigende Großteil der Käufe auf bedrucktes Papier entfällt, laden sich rund 40 Prozent der Leser zwischendurch auch E-Books herunter oder lassen sich von Hörbüchern unterhalten. Dabei ist inzwischen die Diskussion, ob das Hören als Lesen gezählt werden kann, seit Jahren ein nicht endender Knackpunkt in sozialen Medien. „Shelfies“, in denen Leseratten ihre Bücherregale oder Leseecken fotografieren oder filmen und auf Facebook und Instagram herzeigen, liegen ebenfalls im Trend. Empfehlungen werden mit Vorliebe online eingeholt und weitergegeben, so dass mittlerweile mehr Leser angeben, auf Rat aus dem Internet zu hören als auf die Meinung von Buchhändlern.
Das gilt ebenfalls, wenn es ums Schenken geht. Umfragen zufolge legen 43 Prozent der Deutschen mit Vorliebe Bücher unter den Weihnachtsbaum, und das für Kinder genauso wie für Erwachsene. Dabei greifen sie gern auch zu Ratgebern und anderen Sachbüchern, die den Beschenkten nicht nur kurzfristig Freude bereiten sollen. Die meisten begeisterten Leser geben die Liebe zum Lesen bevorzugt weiter, ob das nun Kinder sind oder der Kollege, dem ein Buch ans Herz gelegt wird. Wissen ist Macht, und wenn es nur das Wissen um den Zauber des gedruckten Wortes ist.
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