das Fremde

Bild von Lydia Kraft
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Es gab einmal Zeiten, da war der Fremde, der aus der Ferne kam der Freund. Er brachte Neuigkeiten, Dinge, die es hier selten gab insgesamt, Abwechslung. Dass die Fremden immer noch als Freunde gesehen werden kann man daran erkennen, dass Großstädte in denen sich die Fremden sehr gerne integrieren, im parteipolitischen Sinne, Ausländerfreundlich sind. Wie kommt es dann aber, dass die Nation die Fremden so hasst, dass sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher sein können? Wenn man genauer hinsieht, bemerkt man, dass diese Leute meist nicht nur die Ausländer hassen, sondern oft auch ihre Nachbarn oder gar die Liebespartner. Es gibt ja Thesen, die sagen, dass Hass immer mit einer unbefriedigten Libido einhergeht. Sie sind also nicht fähig, gut zu ficken und scheinen auch sonst nur schlecht in der Lage zu sein, Liebe zu geben.
In den Neunzigern wurde mit dieser Maschendrahtzaunmentalität (es gab dazu bei Stefan Raab, auch einen gleichnamigen Song) im Fernsehen der halbe Nachmittag gefüllt. Man konnte zusehen wie sich die Leute, mal als Nachbarn, mal als Familie verbal fertig machten, in dem sie ihre dunkle Seite auslebten. Manchmal auch wie die angestochenen Hühner, auf einander losgingen. Kleinstädter dachte man damals und seppte weiter wenn man dem ganzen keinen Spaß abgewinnen konnte.
Aus dieser Spaßkultur ist nun bitterer ernst geworden und die politische Lage erlaubt es diesen Nachbarn ihren Hass gegen das Andere mit Infantilismus und Sexismus, immer radikaler auszuleben. Die Parteipolitik wird auch im Reichstag persönlich und macht auch vor der Gürtellinie nicht halt. Wie es auch weitergeht, dass wir uns gegenseitig weh tun und verletzen, sei es nun als Nachbarn oder als Liebende, das System hat uns. Wir sind Teil des Systems. Kleine Rädchen mit großen Wirkungen. Es ist vor allem die Einstellung zum Leben. Sage ich #ja' zur vielfältigen Einzigartigkeit und will es bewahren oder bin nur ich wichtig und alles andere kann den Bach runter gehen.
Man muss sich überlegen wie man mitspielen will. Wie man sich bei diesem Spiel behaupten kann. Das leichteste ist, einfach mitzumachen beim lauten Pöbeln und raus lassen der Gefühle, steht man dem Nachbar gegenüber. Die Selbstbeherrschung hat man dann bereits verloren wenn man Pech hat verliert man auch die Kontrolle über sein Leben. Aber man kann sich groß fühlen weil das Ego sich gefordert fühlt. Nicht auf die feine Art aber das Ego kann sich sonnen und vielleicht denken einige auch, dass sie dabei etwas erreichen. Wie kann man sich noch verhalten wenn diese Einheimischen die den Fremden meist nur aus dem Fernseher kennen und die Anderen als Fremdes erkennt, um es zu attackieren?
Man kann versuchen so weit es geht den zeternden Kleinstädter zu ignorieren. In der Liebe ist das eine sehr grausame Strafe und auch so kann man damit schnell jemanden zu emotionalen Ausbrüchen bringen. Da wirken die Energien wohl bei den Kleinen wie bei den Großen. Da ist es wieder, das Prinzip der Liebe denn eigentlich will so ein kleinstädtischer Nachbar eigentlich auch nur Aufmerksamkeit und Anerkennung, also etwas für die Libido wenn er seine Wut über die eigene Unvollkommenheit am Anderen auslässt. Wutausbrüche oder Ignoranz man sollte hoffen, dass ein Prinzip wirkt beim Nachbarn ansonsten lieber umziehen, auf eine friedliche Koexistenz kann man in solch einer Beziehung dann wohl nicht mehr bauen. Bei Ausländern ist es anders. Ausländer müssten wir einfach nur in unserem Alltag wahrnehmen und integrieren, um zu sehen, dass sie uns nicht so fremd sind wie der Fernseher es in ‚Buxdehude‘ zu vermitteln vermag.
In der Liebe sollte man es eigentlich immer so halten, den Feind zum Freunde machen. Ansonsten macht es keinen Sinn und man sollte lieber das Weite suchen. Zumindest sollte man sich beim abchecken der Lover immer die Frage stellen ‚Ist das jetzt ein Nachbar oder ein Ausländer?‘ für mich.

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