Über die Dunkelheit einer Seele

Bild von Tabea
Bibliothek

Bleischwer
legt sich die Nacht
über meine Welt.
Ich blinzle verwirrt in die Dunkelheit.
Eben war doch noch Tag!
Eben war es doch noch hell,
haben Vögel gezwitschert,
hat die Sonne vom blauen Himmel gestrahlt,
war die Luft so schön warm
und hat nach Freiheit,
Zufriedenheit
und Zuversicht gerochen.
Eben habe ich doch noch gelacht.
Doch jetzt ist es Nacht,
von einer Sekunde auf die andere
ist es stockdunkel geworden,
krächzen nur noch ein paar Raben
ein trauriges Lied über Verderben,
übers sterben von Zukunftsplänen,
ist die Luft kalt geworden,
aber nicht klar und frisch
sondern erdrückend-stickig.
Ich erstarre,
bin nicht einmal in der Lage,
zu weinen oder sonst wie zu fühlen,
bin eingefroren wie eine Statue,
eins mit dem dunklen,
klebrigen,
kalten Nichts um mich herum.
Nichts sehen, nichts fühlen.
Wie oft habe ich mir das gewünscht,
wenn die Gefühle wieder Überhand nahmen,
bis ich vor lauter Überforderung
keines mehr konkret zu benennen wusste.
Jetzt muss ich leider feststellen:
so erstrebenswert ist das nicht.
So lebenswert ist dieses Leben nicht,
wenn man verlernt hat, es zu führen
und sich stattdessen selbst führen lässt -
meist in die Irre,
manchmal auch in einen Tunnel,
an deren Ende Licht ist,
das sich doch wieder nur als Zug herausstellt.
Nüchtern
betrachtet, ist es besoffen besser erträglich.
Kläglich
gescheitert an dem, was andere als Leben bezeichnen,
ich aber höchstens als Existenz.
Sinnlos,
hoffnungslos,
schonungslos – und wieder ein Schlag in die Fresse,
gnadenlos,
gewissenlos, bis ich am Boden liege,
schwer verletzt,
Herz zerfetzt
und niemand da, der es wieder zusammensetzt.
Schicksal,
du kannst mich mal,
such dir ein anderes Opfer!
Ich stehe auf
und ich lauf
auf der Suche nach dem Lichtschalter
gegen Hindernisse,
die sich stumpf,
spitz
oder scharf in meinen Körper bohren
und versuchen,
mich vom Weg
und meinem Vorhaben abzubringen.
Doch vergebens,
ich will leben,
ja, ich will das Leben
mit all seinen Facetten,
mit all seinen Farben,
mit all seinen Sonnenstunden.
Will mehr als nur atmen,
mich ernähren und schlafen,
mehr als nur von Tag zu Tag existieren,
vor mich hin vegetieren,
sinnlos,
hoffnungslos,
träge und gelangweilt.
Mir soll der Bauch vor lachen wehtun
und nicht vor lauter Sorgen,
ich möchte abends sagen können:
"Ich freue mich auf morgen."
Da – was war das?
Ein kleines Licht blitzt auf.
Ein Zug am Ende des Tunnels?
Nein, es ist ein kleiner Funken
am Horizont,
ich glaube, man nennt ihn wohl Hoffnung.
Er wird größer,
taucht meine Welt langsam
aber stetig in warmes Licht,
ich traue dem Frieden nicht
doch wage es vorsichtig,
mich zu freuen.
Mit jedem Atemzug
nehme ich ein bisschen mehr Freiheit,
Zufriedenheit
und Zuversicht in mir auf,
gebe den Gefühlen Raum,
spüre, wie sie sich in mir entfalten
und merke, dass sie bleiben wollen.
Gerne!
Wärme
lässt das Eis schmelzen,
das mein Herz gefangen hielt,
umarmt es sachte,
bis es wieder von selbst schlägt.
Ich weiß, dass die Dunkelheit
eine gewisse Daseinsberechtigung hat.
Ich nehme sie an,
als einen Teil von mir.
Aber sie darf
und wird
nicht mehr mein Leben bestimmen.

Mehr von Tabea Pfau lesen

Interne Verweise