Das große, schizophrene Pssst

Bild von Alf Glocker
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Als ich heute morgen das Fenster zum Lüften geöffnet habe, kam mir ein Stern entgegen. Für Sekundenbruchteile flog er auf mich zu und zwar so klein, daß ich die Zivilisation, die ihn bevölkerte, nicht richtig ausmachen konnte. Dann war er wieder verschwunden, und ein strahlend blauer Himmel trat an seine Stelle.

Auf dem Weg ins Wohnzimmer erkannte ich vor mir laufende Stiefel. Wollten sie mir den Weg in ein Nirgendwo zeigen? Denn sie existierten ebenfalls nur für Sekundenbruchteile. Den Weg zum Frühstückstisch musste ich mir durch die Eruptionswolken des Eyjafjallajökull bahnen – erst danach erkannte ich das Ei im Becher, die Butter und das Brot.

Im Wintergarten tanzten, wenn ich nur genau hinschaute, die Elfen, die Zwölfen, aber auch ein Dreizehnant, der auf seinem Rüssel die Marseillaise trompetete. Dann war es plötzlich Mittag und der Mond ging in der Atomuhr auf. Neil Armstrong und Edwin Aldrin winkten mir zu – und gleich darauf wurde es auch in der Vitrine lebendig: es ist Hexensabbat – die Janitscharen feiern ein Erntedankfest!

Ehe ich mich umschaue, ist es Abend geworden, aber dann ist es doch wieder Nachmittag. Über dem Ölgemälde auf der Staffelei tanzen 1000 Pinsel gleichzeitig zu einer Sphärenmusik aus Lebenslügen, die mir unmissverständlich vor Augen führt, daß ich gerade dabei bin, eine Vision zu halluzinieren. Dann falle ich in Ohnmacht. Nichts macht nichts.

Ohnmächtig habe ich einen Traum ... ein Stern ist zum Fenster hereingekommen, ich habe die Zivilisation darauf glasklar erkannt und während ich das tat, bin ich geboren worden. Mein Vater schrie unter Schmerzen auf, meine Mutter drehte sich im Kreis und ich wurde in eine Realität geschleudert, in der es vorläufig kein Erwachen gab, denn alle Verwandten hielten sich den Zeigefinger vor die Lippen und sagten: „Psssst!“.

In diesem Augenblick kamen die Toten zu mir, auch die, welche noch gar nicht geboren und trotzdem schon tot waren. Ich hatte die ganze Zeit übergangen ... keine Uhr war an mir hängen geblieben und ich an keiner Uhr. Das Universum tickte hörbar in meinen imaginären Ohren ... es hörte sich wie ein Rauschen an. Kurz darauf, es dauerte nur den Augenblick einiger Milliarden Jahre, flog alles, nein, nicht in die Luft, denn es gab keine.

Und wieder öffnete ich ein Fenster um etwas hereinzulassen: mich! Ich flog, in Sekundenbruchteilen, an mir vorbei, auf einen Stern, dessen Zivilisation ich nicht mehr erkannte, denn dort lagen alle in Ohnmacht, oder sie halluzinierten an einer Vision herum. In der Vitrine feierten die Hexen Erntedankfest mit den Janitscharen und im Wintergarten stand eine seltsame Gestalt, die niemand genau erkennen konnte und machte: „Pssst!“

*

Was weiß denn irgendwer?!

Pssst, pssst, pssst, nur keinen Ton!
Vergiss niemals das große Schweigen!
Die Wirklichkeit ergibt sich schon -
Himmel hängen voller Geigen!

Deine Stimme braucht man nie,
du bist überflüssig wie ein Kropf -
seist du wohl Trottel, seist Genie,
es geht hier nicht nach deinem Kopf!

Wer keinen auf hat, der macht Wind!
Und er macht diesen Wind zurecht,
denn er ist ein kluges Kind -
und als solches denkbar schlecht!

Das jedoch muss stets verschwiegen,
übergangen sein, weil wichtig ist,
daß die bösen Kräfte siegen -
wovon ich nichts weiß, ihr nichts wisst!

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Kommentare

08. Dez 2016

Diesen "Krieg der Sterne"
Sieht der Leser gerne!

LG Axel

09. Dez 2016

R2D2 war dabei -
für mich blieb die Schreiberei

LG Alf