Johann - Page 2

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Steige von Gloddern Weude, und dem Bauch des Esels. Doch die Eigentümer verließen das Land. Die Gerüchte sagen aber, es geschah des Spuks der Berge wegen. Dann kamen Leute aus Valltrup, und ließen sich dort nieder, was heute das Dorf Gloddern Weude ist. Jedoch nur langsam lernte ich den Ort und seine Bewohner kennen. Aber ich verstand nicht ihr Geheimnis, oder was auch immer sie verbargen.Eines Tages verschwand Johann für mehrere Monate, worüber seine Frau Bertha glücklich zu sein schien ... und dann war er unversehens wieder da. Er stand auf der Türschwelle meines Hauses, als sei er vom Himmel gefallen. Ja, wie ein ausgestoßener Engel, mit trauerndem Blick. Trauernd über den Verlust seines göttlichen Heimes, seiner Flügel, oder wer weiß warum. Doch versuchte er, seinen Kummer mit Tränen und Schnaps zu ertränken. Seine Trunkenheit roch meine sensible Nase schon, ehe ich die Tür öffnete. Dort, in der Stille der Sackgasse, die meine einzige Verbindung war, vom Dorfplatz bis hoch oben zum Hügel, wo mein Haus stand.Johann erzählte eine schreckliche Geschichte darüber, dass er sich in dubiose Geschäfte mit der Drogenmafia verwunden hatte. Er berichtete davon, Kokain über die Grenze nach Skandinavien gebracht zu haben und dabei einhundertachtzigtausend Dollar verdient zu haben. Aber die Polizei sei ihm auf der Spur und er wollte aussteigen. Nun aber werde sein Leben auch von Seiten der Mafia bedroht. Und nicht nur das, auch seine Familie sei in Gefahr. Und er habe Angst, insbesondere um sein jüngstes Enkelkind.Ich hörte mir alles schweigend an. Doch meine Instinkte sagten mir, dass irgendendwas nicht stimmte. Ich vertraute den Eingeborenen nicht. Dafür war ich schon viel zu lange hier. Und es versteht auch nur jemand, der lange Zeit, und in nächster Nähe, mit diesen Leuten zusammenlebte.

Nach einigen bewusst gewählten Fragen meinerseits hatte ich bemerkt, dass er sich selbst widersprach. Zum Schluss fragte er, ob ich ihm fünfzigtausend Euro borgen könnte. Natürlich lehnte ich ab, ahnte jedoch den Grund seiner Tränen.Und ich wurde bestätigt, als ich am folgenden Tag mit seiner Frau sprach:“Ich habe ihn hinausgeworfen. Niemand von uns will ihn zu Hause haben”, antwortete Bertha verbittert und berichtete weiter: “Johann hat sich fünfzigtausend Euro geborgt. Ohne mein Wissen. Und ohne es zurückzahlen zu können. Nun bedroht man uns.”Zwei Wochen später aber war Johann wieder da. Und verändert. Er war fröhlich. Seine Frau erzählte mir, selbst überrascht, dass Johann seine Schulden bezahlt hatte. Doch ihr Ehemann sagte nie, woher er das Geld hatte.Nicht ganz eine Woche später starb das jüngste Enkelkind von Johann und Bertha, völlig unerwartet. Es war zuvor nicht krank gewesen. Aber all das war auch nicht wirklich ungewöhnlich bei den Dörflern, die ihren Kindern wenig Aufmerksamkeit widmeten, und Tod und Krankheit auf den Einfluss böser Geister und zauberkundiger Nachbarn abschoben.In der Nacht darauf bemerkte ich, dass sich meine Nachbarn stritten. Es war ein schwerer Streit. Doch die Worte verstand ich nicht, denn mein Grundstück, wie das ihrige, ist groß. Die Häuser sind weit entfernt. Doch war es die Frau, die ihre Stimme erhob. Irgendwann öffnete sich die Tür und Johann verließ das Haus, um nie mehr zurück zukehren.Noch aber ist er hier in Gloddern Weude. Wohin auch sollte er gehen? Jedoch ließ er sich nur noch bei Dunkelheit sehen. Wurde zu einem nächtlichen Bewohner dieser Gemeinde, der das Tageslicht scheute. Und, er hatte sich verändert. Er, den viele für einen Verlierer, einen Clown hielten, verbreitet nun Angst unter den Dörflern. Diese wissen auch, warum.Ich spüre es. Doch, es ist ihr Geheimnis, welches niemand mir, dem Außenstehenden, erzählen würde. Nur auf Umwegen hörte ich, ohne zu erfahren, von wem es ausging, dass ein anderer Nachbar von Bertha und Johann, in der Nacht des Todes jenes Enkels, folgendes gesehen haben wollte:Ein dunkler Schatten vom Umriss eines Menschen, doch mit Fledermausflügeln, senkte sich aus dem dunklen Himmel herab auf die Wiese hinter dem Haus. Einen finsteren Pakt schließend, mit dämonischen Mächten, übergab Johann die Seele seines Enkels.

“Was mochte er gerade denken?”, fragte ich mich, all der skandalösen und unglaublichen Gerüchte gedenkend, die nach und nach an meine Ohren gedrungen waren, als ich Johann, in einer Regennacht, unter dem Dach des kleinen Rathauses stehen sah. Ich war mir seiner Person wegen nicht mehr sicher – wenn ich es denn jemals gewesen war – wollte nicht an die absonderlichen Gerüchte glauben, konnte es einfach nicht! Denn sie waren zu fantastisch, fern aller Realität.Johann wirkte nun, wie jemand der in Erinnerungen wandelte. Doch es waren wohl keine guten Erinnerungen. Er war ernst. Schwach nur erleuchtete das geringe Licht, der einzigen funktionierenden Straßenlaterne, des Dorfplatzes sein Gesicht.Mein Gott! Hatte er sich verändert. Sein Gesicht war das eines Verfluchten. Schien selbst ein Geist, eben der anderen Welt entstiegen. Was auch immer in Wahrheit zwischen ihm und seiner Frau vorgefallen sein mochte, es musste schrecklich gewesen sein.Nur noch allein sah ich ihn in den dunklen Straßen des Dorfes. Niemand wollte in seiner Nähe sein, wegen der Geschichten, die sich mehr und mehr begannen, um seine Person zu weben. Niemand mehr lachte über ihn. Sie senkten ihren Blick, damit sie nicht seine traurigen Augen sehen mussten. Es hieß, mit ihnen könne Johann jemandem seinen Willen aufzwingen. Und dann eilten sie, schnellen Schrittes, nach Hause, um die Türen fest zu verschließen, und glaubten das Böse so draußen lassen zu können.Die Menschen hier glauben sich alle gut. Ja, geradezu perfekt! Zumindest, wenn man ihren eigenen Reden Glauben schenkte. Böse sind immer die anderen. Nach meiner Erfahrung aber ist es so, dass die Menschen hier, die andere die Bösen nennen, dieselben sind, die stehlen, vergewaltigen, und morden, aber nie ertappt wurden. Nach mehr als einem Jahrzehnt kannte ich sie gut. Die Leute hier fühlten sich bedeutsam, aber waren voll von Minderwertigkeitskomplexen. Und alles machte ihnen Angst. Klar, es waren schlechte Erfahrungen. Aber nicht nur! Auch ein schlechtes Gewissen spielte dabei eine Rolle. Warum? Das weiß Gott allein!Ich konnte nicht glauben, dass Johann böse war. Ich meine wirklich böse, und mehr als alle anderen. Ich wendete nie meinen Blick von ihm ab, und glaubte dafür Dankbarkeit in ihm erkannt zuhaben.Der Wunsch reifte in mir, mit ihm zu reden, doch nie ergab sich die Gelegenheit. Wenn ich ihm begegnete, sah ich ihn nur vom Auto aus. Doch grüßten wir uns stets, und gewiss war ich der Einzige in Gloddern Weude, der das tat.Es wurde geflüstert, dass Johann seltsame Rituale zelebrierte, dort in der Wildnis der verlassenen Farm Schakara, die schon Teil der Steige von Gloddern Weude war.

“Rituale des Auges!” Gewiss sprachen sie vom selben Auge, das so viele aus ihren Träumen kannten. So wie ich selbst auch. Und darum war es, warum ich mit ihm sprechen wollte. Ich hatte so viele Fragen, über jenes Ding, das mich in allnächtlichen Träumen plagte, und mich dem Wahnsinn zuführte.Einige Hirten beschworen, dass sie gelegentlich, nur vom weiten und zu später Stunde, Johann gesehen hatten wie er Sand aus dem Fluss holte. Groß jedoch war ihr Erstaunen, als sie ihn sahen, seelenruhig den Griff seiner Schubkarre führend, dieselbige mit aller Leichtigkeit fortführend, und all das unter großem Gelächter und Gerede, wie ein wahrer Besessener. Hingegen auf der anderen Seite der Karre konnte niemand erkannt werden, der ihm geholfen hätte.“Es war der Teufel selbst!”, versicherten sie, “Oder einer seiner Dämonen, dem Gestank nach Schwefel, und der Unruhe unserer Pferde nach zu urteilen.”Ein anderes Mal wollte er gesehen worden sein, tanzend zum Takt einer seltsamen Melodie, interpretiert mit unbekannter Meisterschaft. Aber es ließen sich keine Musiker, noch Instrumente erkennen. Nur ein würgender Gestank, der sich der Nachbarschaft bemächtigte, hing dort in der Luft.Fern vernahm man den Schrei eines Hahnes, und kurz darauf erwiderten weitere den Ruf. Ein Aufatmen der Ruhe ergriff die Bewohner des seltsamen Dorfes. Denn unter ihnen existierte der Glaube, dass der Schrei des Hahnes die Dämonen vertreibe. Man vernahm nur das Öffnen der Riegel an den Haustüren. Und man sah nur die kleine und dünne Silhouette des mysteriösen Johanns, langsam und befremdlich, gerahmt vom blassen Licht der wenigen Straßenlaternen. Ich sah ihn herabsteigen auf der berüchtigten Straße der Sünder, bis dann das Zwielicht ihn verschlang. Zwischen dem Geheul der verschreckten Hunde und wilden Wölfen, begleitet von einem perversen Geruch nach Schwefel, der mir untersagte Schlaf zu finden.

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Diese Geschichte müsste eigentlich in einer Kategorie wie "Mystik" sein, es ist nicht Horror im eigentlichen Sinn. Es beruht jedoch auf tatsächlichen Ereignissen.

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