Spieler-Glück: Über die biographischen Bezüge der Erzählung von E.T.A. Hoffmann

12. Oktober 2022
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E.T.A. Hoffmann gilt als einer der bedeutendsten deutschen Erzähler und Novellen wie „Der Sandmann“ sind selbst denjenigen bekannt, die den Autor nie gelesen haben. „Spieler-Glück“ ist eine seiner weniger berühmten und dennoch beachtenswerten Werke.

von Literat Pro
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Die Geschichte bildet zusammen mit zwei weiteren Erzählungen den sechsten Abschnitt von „Die Serapionsbrüder“, einer Geschichtensammlung, die erstmalig zwischen 1819 und 1821 erschien. Inhaltlich beschäftigt sich Hoffmann mit der Faszination des Glücksspiels und der damit verbundenen Zirkularität von Leidenschaft und Sehnsucht.

E.T.A. Hoffmann und das Glücksspiel

Das Thema Glücksspiel und die Faszination für diese findet sich in vielen Geschichten, Romanen und Filmen. Durch die häufige Verwendung der Motivik drückt sich eine große Relevanz aus, die das Glücksspiel nach wie vor für den Lebensalltag vieler Menschen hat.

In Zeiten, in denen Spieler nicht einmal mehr das Haus verlassen müssen, sondern das eigene Glück an Spielautomaten online auf die Probe stellen können, scheint das Thema sogar aktueller denn je. Besonders interessant ist, dass Hoffmanns Inspiration für die Geschichte nicht von ungefähr kommt und tatsächlich konkrete biographische Bezüge belegbar sind. So soll er auf seiner Urlaubsreise im Jahr 1789 die ereignisreichen Abende in einer Spielbank in Warmbrunn hautnah miterlebt haben.

Hinzu kommt, dass viele seiner Freunde, Bekannten und auch Mitglieder der Verwandtschaft berüchtigte Glücksspieler waren. Obwohl die Geschichte nicht einfach nur beschreibend erzählt, sondern durchaus moralisch ist, wurde sie in zeitgenössischen Rezeptionen keinesfalls als überhöht empfunden. Stattdessen lobte man zu seiner Zeit die ungewöhnliche erzählerische Struktur, die mit einem verschachtelten Aufbau glänzt sowie die mitreißende Ergründung der Faszination am Glücksspiel und seiner Ambivalenzen.

Von Glück und Leidenschaft

Protagonist der Geschichte ist der Chevalier Menars, ein Kartenspieler, den das Glück zu verfolgen scheint. Schon bald häuft er so große Gewinne an, dass er in die Pariser Oberschicht aufsteigt und eine eigene Bank gründet. Für diejenigen, die ihr ganzes Hab und Gut an ihn verlieren, verschwendet Menars zu Beginn keinen Gedanken. Eines Tages verlässt ihn sein Glück jedoch und er verliert neben seinem Reichtum auch seine Frau Angela. Dieser gibt aber nicht auf und macht sich erneut auf und folgt der Spur seiner Gemahlin.

Erzählt werden die Geschehnisse aus der Perspektive eines Fremden, dem der Baron Siegfried, selbst ein passionierter Spieler, begegnet. Schlussendlich stellt sich heraus, dass der Fremde in Wahrheit Menars ist und dem Baron seine eigene Lebensgeschichte erzählte.

Parallelen zu Dostojewski

Tatsächlich sieht der Autor Rüdiger Safranski bei Hoffmann sogar eine „Verborgene Spur der Spielleidenschaft“. Quellen beschreiben ihn jedoch keinesfalls als aktiven Spieler, sondern viel allgemeiner als Genussmenschen, der den Rausch liebte. Hinweise geben aber auch Briefe, die zur Zeit der besagten Urlaubsreise entstanden. In diesen klingt an, dass Hoffmann das Treiben der Spieler wohl nicht nur beobachtet, sondern durchaus selbst am Spieltisch gesessen zu haben.

Manche Hoffmann-Experten gehen sogar so weit und behaupten, in der literarischen Figur des Menars autobiographische Züge zu erkennen. Im Gegensatz dazu ist sich die Fachwelt bei Dostojewskis Leidenschaft für das Spiel einig. Wie Hoffmann kommt auch Dostojewski zum ersten Mal auf Reisen mit dem Glücksspiel in Kontakt. Im späteren Verlauf seines Lebens stellt die Nähe zum Spiel eine regelrechte Konstante dar. Ähnlich wie Menars konnte auch Dostojewski dabei zu Anfang über eine Glückssträhne freuen, die bis zu seiner Zeit in Paris anzuhalten schien.