Dostojewski und das Roulette Spiel

18. August 2021
Am Rad gedreht

Eines der traditionsreichsten und ältesten Glücksspiele ist wohl das Roulette Spiel, welches aus kaum einer Spielbank oder einem Online Casino mehr wegzudenken ist. Das Glücksspiel überzeugt dabei durch seine Schlichtheit und lädt unaufdringlich zum Verweilen ein.

von Redaktion LiteratPro
Bild zeigt Dostojewski
Dostojewski, 1872; Porträt von Wassili Perow
© gemeinfrei

Das Roulette Spiel

Die Regeln des Spiels sind gut nachvollziehbar - eine klare Wahl zwischen zwei Gegensätzen, eine 50-50-Gewinnchance. Wählt der Spieler Schwarz, Gerade oder 19 bis 36? Bei der richtigen Wahl verdoppelt sich der Gewinn, eine respektable Angelegenheit. Risikobereite Spieler können sich auch im Roulette Spiel wiederfinden: Wird eine bestimmte Zahl gewählt, welche dann die Kugel beim Stillstand anzeigt, kann mit nur einem Lauf das 35-Fache an Einsatz gewonnen werden.

Diese unkomplizierten und gut nachvollziehbaren Rahmenbedingungen brachten dieser Spielform einen sehr geschätzten und geachteten Ruf unter den Glücksspielen ein. Das Roulette Spiel gilt als eines der aufrichtigsten, denn im Schnitt werden dabei 98 Prozent der Spieleinsätze wieder von den Casinos und Spielbanken ausbezahlt.

Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts suchte der Schriftsteller Fjodor Dostojewski zahlreiche Spielbanken auf, um seiner Leidenschaft, dem Glücksspiel, frönen zu können. Doch wer war der Mann, der das berühmte Zitat „Hier könne man leben – wenn nur nicht das verdammte Roulette wäre!“ aussprach?

Wer war Fjodor Dostojewski?

Fjodor Michailowitsch Dostojewski entspringt der litauischen Mittelschicht seiner Zeit. Als zweites Kind seiner Eltern musste er erleben, wie sein Vater auf dem eigenen Landgut von seinen Angestellten ermordet wurde und seine Mutter an Schwindsucht erkrankt starb. Ohne Eltern auf sich alleine gestellt, begann er als junger Mann ein Bauingenieurstudium in St. Petersburg, welches ihm jedoch wenig Freude bereitete. Er vermied zunehmend soziale Kontakte und beschäftigte sich fast ausschließlich mit dem Lesen von Büchern, wodurch sein Studium in Mitleidenschaft geriet.

Dennoch konnte er sich fünf Jahre durch dieses tragen, bis er endgültig einen Schlussstrich zog und sich als technischer Zeichner für das Kriegsministerium anwerben ließ. Doch auch hier fand Dostojewski keinen Frieden, so dass er bald darauf seine Beamtenstelle aufgab und sich in den ungewissen Stand eines freischaffenden Schriftstellers begab.

Durch Strebsamkeit und das berühmte Quantum Glück gelingt ihm ein Jahr später der große Durchbruch mit seinem Erstlingswerk „Arme Leute“. Fortan wurde Dostojewski vermehrt wahrgenommen und geriet in politische Kreise, welche ihm Ungemach brachten. Ein von ihm veröffentlichter Brief führte zu einer Anklage mit dem Vorwurf der Revolution. Nach achtmonatiger schwerer Haft in der Peter-Pauls-Festung wurde er daraufhin zum Tode verurteilt. Ein erfolgreicher Gnadengesuch rettete ihm kurz vor seiner Exekution das Leben, und nach vier weiteren harten Jahren der Inhaftierung in Omsk konnte er sich anschließend als Soldat seinen Lebensunterhalt verdienen.

Bei Dostojewski zeichnete sich bereits zu dieser Zeit eine schwere Krankheit ab, die früher als nicht therapierbar galt und zum Tode führen konnte: Epilepsie. Er heiratete und gründete zusammen mit seinem Bruder Michail die Zeitschrift „Die Zeit“, welche ein Jahr später der Zensur unterlag. Später wurde daraus „Die Epoche“. Mit seiner Geliebten reiste er im Anschluss durch Europa, auch in Deutschland lieb er einige Zeit.

Während seine Frau und sein geschätzter Bruder zwischenzeitlich verstarben, zeichnete sich bei Dostojewski immer deutlicher eine ernstzunehmende Spielsucht ab, welche ihn viel Zeit und vor allem Geld in Spielbanken verschwenden ließ. Nachdem seine Geliebte seine Heiratsanträge abwies und auch das Herausgeben seiner Zeitschrift aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich war, brach seine Existenz in Wiesbaden beim Roulette Spiel fast vollkommen ein.

Dieses Glücksspiel zog Dostojewski derart in seinen Bann, dass er nur noch unter Zeitdruck seinem Beruf als Schriftsteller nachgehen konnte und seine damit erlangten Einnahmen nahezu zeitgleich am Spieltisch verspielte. Mit Hilfe einer Stenographin, die seine spätere Ehefrau wurde, verfasst er in nur 26 Tagen den berühmten Roman „Der Spieler“, welcher in Anbetracht seines Lebenswandels im Grunde seine eigene Biographie widerspiegelte und auf jeden Fall als geheimer Buchtipp angesehen werden kann.

Der Roulette-Roman „Der Spieler“ von Fjodor Dostojewski

Als Synonym für Wiesbaden, in dem Dostojewski seine Leidenschaft für das Roulette Spiel entdeckte und ihr verfiel, steht die Stadt Roulettenburg, welche den Hauptschauplatz des Romans ausmacht. Eine Gruppe unterschiedlicher und grotesk dargestellter Charaktere verweilt an diesem Ort, um sich in Erwartung einer großen Erbschaft dem Glücksspiel hinzugeben. Dabei nähern sich die Figuren der Geschichte immer mehr dem persönlichen Ruin, getrieben vom Lauf der Roulette Kugel.

Die Faszination dieses Werkes besteht in der unglaublichen Präzision und detaillierten Darstellung einer Unheil bringenden Spielsucht, die sich wie ein schleichendes Gift durch alle agierenden Personen zieht.

Da Dostojewski selbst spielsüchtig war, kann er den Leser mit einer Intensität fesseln und ein Leid durch seine Worte transportieren, welche nur ihm zu eigen waren. Die Tragik des Buches zeigt sich durch den nahezu identischen Bezug zur Lebenswirklichkeit des Autors.

Dostojewski und das Roulette Spiel – so ging sein Leben weiter

Dostojewski eckte immer wieder politisch an und wurde zunehmend zu einer Person, die überwacht und bespitzelt wurde. Er zeigte sich als ein treuer Anhänger der Monarchie und kehrte schließlich nach Russland zurück. Er verdiente mittlerweile als Redakteur in St. Petersburg recht gut und konnte sich und seiner kleinen Familie einen gewissen Wohlstand bieten. In den Jahren verlor er tragischerweise sowohl seine Tochter als auch seinen Sohn, denen er wohl beide die Erbkrankheit Epilepsie weitergab. Gepeinigt durch innere Kämpfe und seelische Zerrissenheit, versuchte Dostojewski, seinen Gesundheitszustand bei einer medizinischen Kur in Deutschland zu verbessern.

Seine wiederkehrenden und sich verschlimmerten Epilepsie-Anfälle machten ihm sein Leben schwer und ermöglichten ihm ein kaum mehr effektives und erfolgreiches Arbeiten. Dennoch genoss Dostojewski ein großes gesellschaftliches und politisches Ansehen, publizierte eine Zeitschrift, welche sich durch seine Liebe zu Russland trug und hielt vereinnahmende Reden und Lesungen.

Auf seinem Zenit erleidet Dostojewski nach großer körperlicher Anstrengung einen Blutsturz, der in einem starken epileptischen Anfall endet, von welchem er sich nicht wieder erholt. Der Schriftsteller verstarb kurz darauf in den Armen seiner Frau.

Die Hassliebe Dostojewskis zum Roulette Spiel

Zeit seines Lebens hielt Dostojewski das Roulette Spiel gefangen. Er lernte keinen gesunden Umgang mit dem Glücksspiel und verlor seine Kontrolle darüber. Dennoch erkannte er unentwegt die Schönheit dieses Spiels in all seiner Schlichtheit.

Der Verleger und Autor befand sich zeitlebens in einem intensiven inneren Kampf mit sich selbst und musste schwere Schicksalsschläge verarbeiten. Seine schwere Erkrankung förderte die Verkümmerung seines Geistes und Gemütszustandes.

Ein damaliger Brief an seine Frau zeigte wohl das gesamte Ausmaß seines seelischen Leids:

„Mir ist Großes widerfahren. Der hässliche Traum ist verschwunden, der mich fast zehn Jahre gequält hat. Zehn Jahre lang, seit dem Tod meines Bruders habe ich, von Schulden erdrückt fortwährend, vom Spielgewinn geträumt, ernstlich, leidenschaftlich; jetzt ist alles zu Ende. Dies ist das allerletzte Mal gewesen.“ (Zitat Fülöp-Miller & Eckstein; Dostojewski am Roulette, Piper Verlag 1925)

Vermutlich lässt sich erahnen, dass sich Dostojewski danach nicht das letzte Mal an den Roulette Tisch begab.