Stille Momente, starke Bilder – wie Autoren symbolische Dinge zum Sprechen bringen

Überarbeitet am 24. November 2025

Dieser Beitrag soll aufgreifen, wie Autor*innen die Fähigkeit nutzen, um mit Gegenständen eine Atmosphäre zu schaffen und Figuren indirekt zu charakterisieren.

von Redaktion LiteratPro
Aufgeschlagenes Buch mit Zigarre und Glas in einer ruhigen, symbolischen Schwarz-Weiß-Szene
© captainmilos / shutterstock

1. Der Gegenstand als stiller Erzähler

In vielen literarischen Texten übernimmt der Gegenstand selbst die Rolle eines stummen Erzählers. Er braucht keine Stimme, um Bedeutung zu erzeugen, seine bloße Anwesenheit, sein Zustand oder seine Position im Raum können mehr über eine Figur verraten als lange Dialogpassagen. In diesem Zusammenhang tauchen immer wieder Dinge auf, die historisch oder kulturell mit bestimmten Rollenbildern oder Atmosphäre verbunden sind. So wird etwa die klassische Zigarre in manchen literarischen Traditionen nicht als Genussmittel, sondern als symbolisches Requisit eingesetzt. Als Ausdruck von Distanz, Überlegenheit, Nachdenklichkeit oder Inszenierung, ähnlich wie eine Pfeife, ein Buch oder ein Spazierstock in anderen Epochen. Wichtig ist, dass solche Objekte nicht konsumorientiert gelesen werden, sondern als Zeichen, die Autorinnen und Autoren nutzen, um Figuren zu verorten. Eine zerschlissene Reisetasche, ein ungeöffneter Brief, ein verwittertes Foto oder ein zufällig abgelegter Alltagsgegenstand können verwandte Funktionen übernehmen.

2. Wenn Handlungen Bedeutung formen

Gegenstände erhalten eine größere emotionale Wirkung, wenn sie Teil eines Rituals sind. Ein Rituale verleihen Handlungen Struktur, Besonderheit und emotionale Tiefe. In der Literatur wird dadurch nicht nur der Gegenstand bedeutungsvoll, sondern auch die Figur, die mit ihm interagiert. Wenn etwa die Hauptfigur jeden Abend eine alte Lampe anzündet, bevor er oder sie schreibt, erzählt diese Handlung mehr über seine Beziehung zum Licht, zum Arbeiten oder zu Erinnerungen als jede direkte Charakterbeschreibung. Ebenso wird das tägliche Polieren eines Instruments, das sorgfältige Falten eines Tuchs vor dem Schlafengehen oder das Reinigen eines längst selten genutzten Werkzeugs zu einem Ausdruck innerer Ordnung, Sehnsucht oder Gewohnheit. Symbole entstehen nicht allein durch das Objekt, sondern durch die Art und Beständigkeit, mit der Menschen sie berühren, betrachten und in ihren Alltag einbauen. Autorinnen und Autoren nutzen genau diese Dynamik, um Figuren Tiefe, Authentizität und stille Resonanz zu verleihen.

3. Atmosphären bauen – Räume, die Bedeutung atmen

Ein literarischer Raum, der auf die Verwendung symbolischer Gegenstände verzichtet, wäre in seiner Wirkung stiller und weniger lebendig. Räume erhalten durch die Anwesenheit von Menschen eine Stimme. Atmosphären entstehen oft durch scheinbar marginale Beobachtungen wie ein geöffnetes Fenster, ein unordentlicher Stapel Dokumente oder der Geruch von altem Holz. Die Verbindung von Raum und Symbol ist besonders eindrucksvoll, wenn der Zustand eines Gegenstands den emotionalen Zustand des Raumes widerspiegelt. Ein umgestürzter Stuhl kann von einem Streit erzählen, eine unberührte Tasse von einer abwesenden Person und eine erblundene Spiegeloberfläche von Identitätszweifeln. Viele Autorinnen und Autoren setzen derartige Detailmomente gezielt ein, da sie eine Stimmung erzeugen, die nicht direkt beschrieben werden muss, da sie sich im Zwischenraum der Zeilen manifestiert. Die Rezipienten verspüren eine Szene, bevor sie sie intellektuell erfassen. In der literaturpädagogischen Forschung lässt sich ebenfalls beobachten, wie Räume, Objekte und Stimmungen miteinander verwoben sind. Die Perspektiven zur Literaturvermittlung als kulturelle Bildung der Bundeszentrale für politische Bildung zeigen, wie wesentlich räumliche Atmosphären und symbolische Gegenstände dafür sind, literarische Wahrnehmung zu schärfen und Bedeutungsschichten sichtbar zu machen.

4. Der Gegenstand als Motor der Erinnerung

Symbole sind oft Erinnerungen. In Erzählungen verbinden sie Gegenwart und Vergangenheit. Ein alter Ring, ein Foto, ein Stück Stoff – Dinge, die mit Erinnerungen verbunden sind, lösen Gefühle aus, die den Text begleiten. Solche Objekte ermöglichen Rückblenden, eröffnen emotionale Perspektiven, verbinden Figuren mit ihrer Geschichte und schaffen narrative Übergänge. Sie ist das Medium, durch das Erinnerungen entstehen. Die Vergangenheit ist da, man spürt sie. In Geschichten über die Zeit, in der Jugendliche erwachsen werden, oder in Familienromanen sind es oft Gegenstände, die zeigen, wie sich die Menschen in der Geschichte verändern.

 

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