Literatur auf Facebook: Harmen Biró über die größte deutsche Gruppe zum Thema

21. August 2018

Literatur auf Facebook. Geht das überhaupt niveauvoll, ohne zu große Schranken und in möglichst respektvollem Umgang miteinander. Die Gruppe »Deutsche Literatur – German Literature« beweist, dass es geht, wenn man es nicht gar zu ernst nimmt.

von Literat Pro
Bild zeigt Harmen Biró - Gründer der größten Facebook-Gruppe zum Thema Literatur
Harmen Biró - »Deutsche Literatur – German Literature«
Copyright durch Harmen Biró

Harmen Biró (Bj. 1980) ist promovierter Skandinavist und arbeitet als freier Werbetexter in Backnang, Baden-Württemberg. 2008 gründete er die Gruppe »Deutsche Literatur – German Literature«. Mittlerweile hat sie sich zur größten deutschsprachige Gruppe zum Thema Literatur auf Facebook entwickelt. Mit mir klärte er Fragen zu Motivation, Mitgliedern, dem Support, ob er etwas damit verdient und was er selbst für Bücher liest.

Hallo Harmen, schön, dass Du es einrichten konntest, dieses kleine Gespräch mit mir zu führen. Als Betreiber der mit über 28.000 Mitgliedern größten deutschen Literaturgruppe auf Facebook ist es sicherlich nicht leicht, auch noch andere Termine wahrnehmen zu können. Du bist gerade einmal sechs Stunden zu spät.

Hallo Denis, entschuldige die kleine Verspätung. Da Du für einen Ostdeutschen relativ nett bist und wenig jammerst, beantworte ich gerne Deine Fragen. Die größte deutschsprachige Literaturgruppe bei Facebook, das musste ich gerade einmal überprüfen, aber Du hast recht. Das war mir nicht bewusst.

Wie kam es dazu, die Gruppe »Deutsche Literatur – German Literature« ins Leben zu rufen?

Die Sache ist schlichtweg komplett aus dem Ruder gelaufen. Als gelernter Literaturwissenschaftler habe ich natürlich auch einige Bekannte, die sich für das geschriebene Wort erwärmen können. So kam die Idee auf, eine Gruppe zu gründen. Dann wurden es einfach immer mehr Mitglieder und irgendwann kommt man aus der Nummer nicht mehr heraus. Ich habe nachgesehen, die Gruppe wurde am 3. August 2008 gegründet. Wir hatten also schon 10-Jähriges.

Ich habe gesehen, dass es auch viele ausländische Mitglieder gibt (neben den ostdeutschen, wie mich selbst zum Beispiel). Was denkst Du, wie setzt sich die Zielgruppe genau zusammen. Hast Du Schubladen für die Mitglieder?

Ich habe da keinen Überblick und Facebook zeigt dem Admin solche Informationen nicht an. Ich denke, es sind vom Schüler bis zum Rentner alle dabei und Menschen aus aller Welt. Das finde ich auch gut so. Literatur soll für alle da sein und nicht nur für Akademiker oder Bildungsbürger. Die aktivsten Mitglieder kommen aber soweit ich sehe aus dem deutschsprachigen Raum.

Warum gibt es keinen 24-Stunden-Support – immerhin wird sich erzählt, die Gruppe hätte Dir Deinen ersten Mercedes SL eingebracht?! Und noch die schnöden Fragen, die unsere Leser sicherlich am wenigsten interessieren: Was verdienst Du genau damit und wie viele Angestellte arbeiten für Dich?

Lügenpresse! Ich habe mit der Gruppe noch keinen Cent verdient. Da ich einer ehrlichen Arbeit nachgehe, können auch einmal ein paar Stunden vergehen, bis betrügerische Kredit- oder Paarungsangebote wieder verschwinden. Aber ich denke, dass es unterm Strich passt. Wie gesagt, das ist reines Privatvergnügen, vielleicht sollte ich mal den Klingelbeutel durchgehen lassen und mir einen Sack Kaffee für die Nerven zusammenbetteln. Bis jetzt ist das Ganze aber gut allein zu bewältigen. Vielleicht brauche ich irgendwann doch einen Co-Admin.

Ist die Gruppe das, was Du Dir darunter vorgestellt hast, wünschst Du Dir irgendwas Bestimmtes von den Mitgliedern und ihren Inhalten?

Grundsätzlich ging es mir darum, einen Raum für Diskussionen zu schaffen und Neues zu entdecken. Natürlich habe ich meinen eigenen Geschmack und verdrehe die Augen, wenn zum 237. Mal der olle Panther an den Stäben vorübergeht oder die Liebe einfach nur ist, was sie ist. Im Großen und Ganzen ist das Niveau aber sehr gut und der Umgang miteinander – für Internetverhältnisse – respektvoll. Hitzköpfe und Querulanten gibt es schließlich überall. Lustig fand ich, als ein Mitglied bei einem Streit ein anderes nach Sachsen einlud, um das wie Männer auszutragen [Anm. der Redaktion: So ein Primitivling]. Wer hätte gedacht, dass Literatur die Gemüter so erregen kann.

Was gefällt Dir am meisten und was frustriert Dich?

Mir gefällt es, wenn ich auf neue unbekannte Autoren stoße, das war immerhin eines meiner Anliegen. Frustrierend finde ich Meckerköpfe, Besserwisser und die Fraktion mit den kitschigen Wohlfühlkalendersprüchen. Ich greife aber so wenig wie möglich ein. Die Gruppe ist, was ihre Mitglieder aus ihr machen. Die Gruppenregeln haben übrigens beträchtlich zur Harmonie in der Gruppe beigetragen.

Eine sehr intime Frage: gibt es dort auch Verrückte oder konntest Du den ganz normalen Facebook-Wahnsinn aussperren?

Geärgert habe ich mich auch schon oft genug, mittlerweile habe ich aber auch ein lockeres Händchen, wenn es mir zu bunt wird. Dann muss derjenige eben gehen. Das ist immer noch eine Privatveranstaltung, bei der ich entscheiden kann, was genug ist. Deswegen wurde ich schon als Diktator, Nazi usw. beschimpft und der Zensur bezichtigt. Mittlerweile kann ich darüber lachen.

Wir haben gehört, Du expandierst seit geraumer Zeit und willst nun auch den internationalen Literaturmarkt erobern.

»Heute gehört uns Deutschland und morgen …«  [Anm. der Redaktion: er hörte auf zu singen, als der Interviewer gerade seinen Kaffee quer über den Tisch spuckte] Spaß beiseite. Ich habe mich im Mai 2016 dazu hinreißen lassen, einen Ableger mit dem Namen »Weltliteratur – World Literature« zu gründen. Literatur kennt keine Schlagbäume. Hier kann über Literatur aus aller Welt diskutiert werden. Diesem Angebot gehen auch schon über 7.000 Mitglieder nach.

Was sind Deine persönlichen Favoriten aus der Literatur und was liest Du aktuell?

Als Vater zweier kleiner Kinder komme ich derzeit kaum zum Lesen. Eher zum Vorlesen. »Der Grüffelo« und »Das Grüffelokind« stehen derzeit hoch im Kurs. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Kafka, Lenau, Herta Müller und vieles aus Skandinavien wie Halldór Laxness, Knut Hamsun und viele mehr. Ich mag gerne den Phantastischen Realismus, Absurdes und eine dichte, lyrische Sprache.

Kommentare

17. Nov 2018

Danke sehr für das pfiffige Interview. Ich werde gleich mal in die Facebook-Gruppe reinschauen!