Der Tage Firnis, der Nächte Reife

Bild von Anouk Ferez
Bibliothek

Und wieder kettet mich der lichte Tag an Stühle,
melkt meinen Kopf, lähmt jeden meiner Träume.
Die Nacht jedoch möcht´ reisen, bunte Schäume
tragen sachte mich im heißen Branden der Gefühle.

Es ist ein Streifzug durch die Wirren meiner Seele.
Ein Blick ins Selbst – er offenbart das Unermessliche,
zeigt jede Färbung auf – und feiert das Vergessliche
des Vorhangs jeder Neugeburt, die ich im Jenseits wähle.

Es mögen alle Tage mich mit ihrer Firnis blenden,
Einsicht schenkt die Mondin mir in ihrem steten Laufe.
Verwandlung zeigt sie, läutert mich mit ihrer Taufe,
trägt Fülle, Schwinden, Neubeginn in ihren Händen.

So bin ich frei, des Tages Blendwerk nunmehr schwindet.
Wahr sind Silbersichel, Opulenz und schwarze Leere.
Sie häutet sich, prunkt neu, bewegt den Geist, die Meere.
Dreifaltigkeit, die sich im Weltenspiegel findet …

Okt 2018

Interne Verweise

Kommentare

23. Okt 2018

Ein wunderschönes, wort- und bildgewaltiges Werk!
Chapeau, - absolut gelungen!

Liebe Grüße
Robert

23. Okt 2018

Hallo Robert, wenn du von einem wortgewaltigen Werk sprichst, freut mich das sehr. Du bist - wenn ich mich nicht irre- der, der viele eingängliche intensive Liebesgedichte schreibt und selbst nach Worten sucht , derer sich nicht jeder bedient. Danke für die Blumen!
LG
Anouk

23. Okt 2018

Liebe Anouk: Das ist ein ganz wundervolles Gedicht, etwas völlig Neues, das ich so noch nie gelesen habe. Der Tag, mit seinen vielfältigen Pflichten, der Nacht, die den Träumen gehört, gegenübergestellt. ... des Tages Blendwerk schwindet ... ist wahrlich für die meisten Menschen ein Aspekt, den sie nicht nachvollziehen können. Mir geht es momentan jedoch genauso, wie Du es ganz fantastisch beschrieben hat. Wenn meine Seele in die Nacht einkehrt ... Wie wird das Leben unbeschwert! Und nichts mehr meine Stille stört.
Danke sag ich Dir von ganzem Herzen
für dieses Wahnsinnsgedicht,
Annelie

23. Okt 2018

Liebe Annelie, seit langem fand ich heute im Herbststurm etwas Zeit, in mich zu gehen und die letzten Tage innerlich zu reflektieren. Da ging mir auf, mit wie viel Künstlichem und Unnützen die Tage oft behaftet sind, auch arbeitstechnisch, und wie man sich das bisschen Freizeit oft vollpackt mit ebenfalls Künstlichem ( Family entertainment, wie shopping , Kino, usw -- was ich zu vermeiden suche.. und da kam ich zu dem Gedanken, wie ich mich oft auf den Moment des Einschlafens und Loslösens freue, innerlich auf Reise gehe und mich rückbesinne auf das. was früher den Menschen wert und wichtig war ( u.a. der Zyklus der Mondin) und wonach die Menschen damals ihr Leben ausrichteten. Und ich denke, etwas davon ins Heute zu integrieren, täte der Menschheit gut.
Der Tage Blendwerk= vermeintlich wichtige Dinge...
Du weißt genau, was ich meine und das freut mich mindestens so sehr wie dein großes Lob, danke

LG
Anouk

23. Okt 2018

Die schwarze Leere schadet nicht:
Sie fördert Leben - samt Gedicht ...

LG Axel

23. Okt 2018

Hallo lieber Axel
ich denke,

Krause mag die Mondin nicht
nicht einmal in dem Gedicht
denn Krause macht die Nacht zum Tage
da wird die Mondin rasch zur Plage...
lG
Anouk

23. Okt 2018

Du Dichterin! Auch das mit der "Mondin" gefällt mir so richtig gut.

LG Uwe

23. Okt 2018

Hallo Uwe,
hab Dank! Leider ist die Mondin eine geniale Erfindung von mir, sondern die Göttin der Nacht aus der matriarchalen Epoche... Ich liebe die Sagen um sie und die Bräuche aus jener Zeit

lG
Anouk

23. Okt 2018

Was für ein bemerkenswertes Werk, wort- und bildmächtig, gefaßt in der Sprache einer Poesie, die ich als vollendet bezeichnen möchte. Ein Gedicht, dessen Worte ich einzeln wirken und dessen besondere Sprachmelodie ich in mir nachklingen lasse.
Meine persönliche Interpretation geht von der schwarzen Leere aus, diesem noch unerforschten Phänomen und der Dreifaltigkeit; vielleicht ist es die noch ungelöste Frage nach dem Gottes Beweis, die auch hier impliziert wird .Liebe Anouk, Gratulation zu diesem Gedicht! Liebe Grüße kommen von Ingeborg

23. Okt 2018

Liebe Ingeborg, ich bin sehr gerührt über deinen lieben langen lobenden Kommentar. Da ist mir heute im regnerischen Herbststurm ein Gedicht geglückt, da so vielen Leuten gefällt: ich freue mich sehr!
Ich frage mich oft, warum wir Leere als schwarz imaginieren. Weil schwarz die ABWESENHEIT von Licht ist? Ob des ohne Licht "leer" ist? Neulich forschte ich nach, was wohl absolute Leere sein könne. Ob es das gibt. Da las ich einen sehr interessanten Gedanken: Das ,was Leere am nächsten käme, sei wohl der Nicht-Gedanke.
Auch die Dreifaltigkeit interessiert mich sehr, sie ist in so vielen Bereichen zu finden und in ihrer Vollkommenheit unergründlich.

Ich freue mich sehr, dass du so tief in meine Zeilen gegangen bist. Hab lieben Dank und sei lieb gegrüßt von
Anouk

23. Okt 2018

Liebe Anouk, mir bleibt nach diesen tiefen, treffenden und lobenden Kommentaren nicht mehr viel übrig, nur:
Applaus, Applaus für deine Worte. Mein Herz geht auf, wenn du … schreibst!

Viele liebe Grüße
Soléa

24. Okt 2018

Liebe Solea, was gibt es schöneres, als jemandem das Herz zu öffnen? Wobei, bei dir bin ich mir sicher, dass du dein Herz stets weit offen trägst und diese Herzlichkeit lebst und dazu keine Gedichte "brauchst"
:-) und das ist schön!

Ich freue mich sehr über dein Lob
liebe Grüße
Anouk

23. Okt 2018

Ein weises, sprachgewaltiges Gedicht - danke dafür, Anouk.

Liebe Grüße - Marie

24. Okt 2018

Liebe Marie, hab vielen Dank für deine positive Rückmeldung, ich freue mich stets darüber. Momentan hab ich leider total wenig Zeit zum Lesen und zum Schreiben und bin froh, wenn ich es schaffe, ein paar der zahlreichen und guten Gedichte hier im Forum zu lesen ( und dann ist der Tag gerettet) aber das wird, hoffentlich , sich bald wieder ändern.

Liebe Grüße, schöne Tage
wünscht dir
Anouk

25. Okt 2018

Wow! Was für ein wundervolles Werk! Ich ziehe ehrfürchtig meinen Hut und verneige mich in Demut.

Liebe Grüße,
Ella

29. Okt 2018

Liebe Ella, heute morgen fand ich deinen lieben Kommentar und freue mich sehr darüber, wenn ich zugleich auch schamhaft erröte, denn es ist des Lobes zu viel, dazu kann ich ja gar nicht aufwachsen. Dennoch, es motiviert mich. Finde ich derzeit auch absolut keine Zeit zum Schreiben , so sehe ich es als "aufgeschoben ist nicht aufgehoben an" und freue mich auf den Tag, wo ich wieder Muße habe, Papier zu schwärze. Hab vielen Dank!
lG
Anouk