Ein besonderer Tag

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Wie konnte es nur so still sein? Heute war doch ihr besonderer Tag! Kein Auto, keine Stimmen, auch Petrus war noch nicht auf seinem altersschwachen Fiets vorbeigescheppert auf seinem Weg zum Kriegsmuseum.
Hendrika schob die Gardine beiseite. Die Koestraat lag so friedlich in Feiertagsruhe und am intensiv blauen Himmel jagten sich die Wolkenbänder. Wenigstens die Vögel schmetterten, was ihre kleinen Kehlen hergaben. Ein leichter Algenhauch kam vom Meer. Westkapelle schien noch zu schlafen. Auch im Gemeindehaus gegenüber regte sich nichts.
In drei Stunden würden Cornelis und sie sich vor Gott das Ja-Wort geben!
Ihr Herz klopfte schneller, wenn sie an Cornelis dachte und an die große Feier, die sie heute erwartete. Gleich würde Petronella kommen, sie hatte versprochen, ihr eine Frisur zu zaubern, wie sie noch keine Braut vor ihr gehabt hatte. Und Petronella war eine wahre Haarkünstlerin, nicht umsonst hatte ihr Friseursalon so viel zu tun, auch bei den Touristen hatte sich diese Tatsache herumgesprochen. Beschwingt drehte sich Hendrika ins Zimmer zurück, setzte sich auf die Bettkante und streichelte verträumt über den Stoff ihres Hochzeitskleides, das als weißer Traum an ihrem Schrank hing.

Piet van den Broek saß in seinem Sessel und lauschte dem regen Treiben in der Küche. Seine Schwiegertochter, sein Sohn und seine Enkelin waren schwer mit den Vorbereitungen zu seiner Geburtstagsfeier beschäftigt. Seit zwei Tagen wurde nur noch geputzt und gebacken, das Haus glänzte und war durchströmt von angenehmen Düften. Piet liebte den Butterkuchen, auf dem in tiefen Dellen sich die Butter mit dem Zucker in leckeren Pfützen traf! Bestimmt würde heute auch Bürgermeister Rob aus Veere zum Gratulieren kommen. Genüsslich erschnupperte Piet den Kaffeeduft und strich sich voller Vorfreude mit beiden Händen über sein volles Silberhaar. Immerhin hatte er heute die 101 Jahre geschafft – DAS sollte ihm erstmal einer nachmachen!

Theodorus konnte nichts dafür, dass er so hieß. War es ihm in die Wiege gelegt worden? Er liebte Gott nicht nur dem Namen nach, er sah seine Berufung darin, ihm nach bestem Wissen und Gewissen zu dienen. Heute stand die Trauung von Hendrika und Cornelis an, aber den Wein von gestern Abend hatte er noch nicht ganz weggeschlafen. Er hing mehr als dass er saß über seinem Frühstücksgedeck und der starke Kaffeegeruch war einem Wohlgefühl eher hinderlich. Seine Frau betrachtete ihn skeptisch: „Meinst du, du kommst klar nachher?“, fragte sie besorgt. Von ihm kam nur ein Brummen.
„Ich hab schon geschmückt.“ Sie stand immer früher auf als er und er wusste, dass sie den Gottesdienstraum mit großem Geschick und vielen Blumen in einen Festsaal verwandelt hatte. „Bedankt, Griet“, war alles, was er im Moment herausbrachte, dann hing er weiter stumm dem gestrigen Herrenabend nach.

Marijke stützte ihren schweren Bauch mit beiden Händen und stöhnte, der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Die Wehen durchfluteten sie jetzt alle 5 Minuten und Claus gelang es nicht, den Wagen zu starten. Wenn der nicht bald ansprang, würde es doch noch eine Hausgeburt werden! „Ich frag Bertus, ob er uns fährt!“, hörte sie Claus jetzt rufen, da überrollte sie auch schon die nächste Wehe mit aller Kraft.

Jan war zufrieden. Er beschaute stolz sein Werk. Die Torte war dreistöckig und wirklich etwas Besonderes. Cornelis und Hendrika würden sicher überrascht sein! Die Torte war sein Geschenk zu ihrer Hochzeit. Er hatte so viele Motivtorten im TV gesehen, da hatte er Lust bekommen, es selbst einmal zu probieren. Hendrika als Krankenpflegerin und Cornelis als Fahrradhändler und passionierter Angler hatten ihn dazu inspiriert, statt des üblichen Brautpaares on Top ein Zucker-Fahrrad zu platzieren, auf dem ein gekrümmter Marzipan-Fisch saß, noch an der Angel, die ein Angler gerade schwang, und versehen mit einigen Pflastern, die die hübsche Krankenpflegerin auf der anderen Seite des Rades ihm soeben verpasste. Die beiden Ringe an der durchhängenden Angelschnur stellten ein Problem dar, aber das würde er auch noch in den Griff kriegen.

Thijs war voller Forscherdrang. Seine 4 Jahre gaben ihm sowas wie Narrenfreiheit. Wenn seine Mutter auch öfter stöhnte: „Thijs, laat het zijn!“, musste sie doch immer lachen, wenn er etwas ausprobierte. Jetzt war Bommelchen dran. Der kratzte heute wie wild in seinem Käfig, da musste Thijs ihn doch rauslassen! Wenn er doch nur das Häkchen aufkriegen würde. War das eine Fummelei! Da! Jetzt war es geschafft. Thijs griff tatenfreudig in den Käfig und wollte das flauschige Kaninchen am Nacken packen, aber das biss herzhaft zu. Thijs fing lautstark zu heulen an, Bommelchen sprang von selbst aus dem Käfig, der umkippte und die Streu im Zimmer verteilte. Er flitzte wie irr durch den Raum und verschwand mit hervorstehenden Augen unter dem Kleiderschrank.

Hinter dem Deich, im „Kasteel van Batavia“, setzte Maria wieder die Stühle auf den frisch geputzten Boden. Willem und sie mussten noch eindecken, heute Mittag war die große Hochzeitsfeier, in einer Stunde wollte Jan von der Bakkerij Koppejan die Hochzeitstorte für seinen Freund Cornelis und dessen Hendrika liefern. Gestern war es spät geworden, der Herrenabend konnte kein Ende finden. Aber schickte man Stammgäste einfach so fort? Dann musste es jetzt eben schneller gehen. Das Menü stand, die Getränke waren gekühlt, die Vorbereitungen in der Küche liefen auf Hochtouren und die Band würde erst kurz vor 14 Uhr aufbauen. Das würde wieder ein langer Tag werden …

Die Schwäne waren verwirrt. Sie blickten verdutzt um sich, wie ungewohnt schnell das Wasser sich zurückzog und ruderten dagegen. Plötzlich saßen sie auf dem Trockenen. Der idyllische weiße Strand ging in sumpfigen Wattboden über. Sie versuchten zu starten, liefen auf dem Schlamm und flatterten mit den Schwingen, ihr lautes Trompeten erfüllte die Luft.

Odette Oudekerke summte vor Vergnügen. Das war wieder ein perfekter Tag! Die Sonne wärmte den frühen Morgen, und die Vögel überall in den Hecken und Bäumen überboten sich gegenseitig in ihrem Lobgesang. Es zog Odette von den Rosen hinüber zu den Dahlien, deren Farbenvielfalt einfach nur eine Pracht war. Ein Sonntag wie aus dem Bilderbuch! Die linke Hand streichelte sanft den fast leeren Kaffeebecher in ihrer rechten. Unvermittelt sauste ein schwarz-weißer Blitz direkt neben ihr durch die Ligusterhecke quer über den Rasen, so flink, dass sie im ersten Moment erschrak. Dann lächelte sie wieder, sonntagsmild. „Deze gekke kat!“, murmelte sie vor sich hin. Auch die Vögel mussten sich erschreckt haben, denn sie hörte nicht eine Note mehr. Im ersten Moment zweifelte sie an ihrem Gehör, weil jegliches Geräusch wie ausgelöscht schien. Doch dann rauschten plötzlich die Schwäne über ihr trompetend als große Wolke landeinwärts und sie sah ihnen erleichtert nach.

Am Horizont baute sich eine graue Wand auf, wuchs, kam grollend näher und wuchs immer noch höher hinauf, je näher sie kam.

Beim wie ein Leuchtfeuer rot-weiß geringelten Aussichtsturm angekommen, der gedrungen neben dem Polderhuis-Museum aufragte, stoppte Petrus sein quietschendes Fiets. Einen Fuß am Boden, den Kopf im Nacken, schaute er verwundert den Schwänen nach, als sich im Nu der Himmel über dem Deich verdunkelte. Petrus traute seinen Sinnen nicht – das konnte doch nicht wahr sein!?

Die Welle brach mit Getöse und nahm alles mit, was sich ihr in den Weg stellte, auch den Deich, der über Generationen mit Sachverstand gewartet worden war. Unter der Wucht des Tsunamis leistete er jedoch keinen Widerstand, Erdreich und Steine wurden ins Landesinnere gespült und trugen das Ihre dazu bei, alles Leben im Hinterland auszulöschen …

Arkadij Gawrilowitsch musste sich übergeben. Er war nicht der Einzige, ein saurer Geruch verbreitete sich in der Kommandozentrale. Arkadij war es, der den Befehl erhalten hatte, den Knopf zu drücken. Kommandant Gennadij Gerasimowitsch hatte ihm feuerspeiend die Pistole an die Schläfe gepresst und mit sofortiger Erschießung gedroht, falls er den Befehl von oben verweigere. So oder so, er hatte Status 6 zünden müssen. Die Stille jetzt war ohrenbetäubend. Er nahm die totenbleichen Gesichter seiner Kameraden nicht wahr, so sehr war er mit sich und seiner eigenen Übelkeit beschäftigt.
Die 24 Meter lange atomgetriebene Unterwasser-Drohne mit der mit 100 Megatonnen TNT bestückten Wasserstoffbombe hatte selbst noch in der extremen Distanz zur Zündung vom Boot aus und in 1 km Meerestiefe das Uboot der Sarow-Klasse aufs Heftigste durchgerüttelt, das Chaos war unbeschreiblich.
Wie mochte es wohl oberirdisch aussehen? In den Video-Schulungen hatte es geheißen, dieses Waffensystem könne alles Leben durch eine gigantische Unterwasserexplosion massiv atomar verstrahlen und mit den ausgelösten Tsunamiwellen sowohl die Küstenlinien Amerikas wie auch Europas gleichzeitig und nachhaltig verändern. Gegen diese neue Massenvernichtungswaffe sei jede Abwehr wirkungslos.

Erneut musste sich Arkadij Gawrilowitsch übergeben, als ihm einfiel, dass sein Söhnchen Denis seinen heutigen 5. Geburtstag wohl nicht mehr feiern würde …

© noé/2017

Die niederländische Gemeinde gibt es tatsächlich, ebenso die Schwäne, die Bäckerei, das Lokal und (ironischerweise) das Kriegsmuseum mit Aussichtsturm hinter dem Deich. Sie ist seit Jahrhunderten für ihren Deichbau so angesehen, dass ihre Deichbauer von weither angefordert wurden, wenn irgendwo wieder ein qualitativ hochwertiger Schutzwall gegen die Fluten benötigt wurde.
Den nachfolgenden Link habe ich bereits an mein Gedicht "Drohne im Ärmel"(03.01.2017) angehängt. Hier ein weiteres Mal, weil diese Waffe existent ist und kein Hirngespinst von mir.
Und auch als Erinnerung daran, wie schnell jedwede Zukunftsplanung hinfällig sein kann, so banal, wie sie im Einzelnen auch erscheinen mag ...
Habt ihr euren Liebsten heute schon gesagt, wie viel sie euch bedeuten?

http://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/russland-testet-atomare-unterwasser-drohne/ar-BBxN11m?li=BBqg6Q9&ocid=SL5MDHP
(Falls der msn-Nachrichten-Link abgeschaltet wird, hier der darunter erschienene Text. Aus Platzgründen habe ich die Zwischenüberschriften entfernt.)
Russland testet atomare Unterwasser-Drohne
Mit dem Ziel, die russischen Streitkräfte aufzurüsten, lässt Präsident Wladimir Putin eine schreckliche Massenvernichtungswaffe entwickeln. Wie von US-Geheimdiensten bestätigt wurde, hat Russlands Marine Ende November erstmals eine nuklear bewaffnete Unterwasser-Drohne getestet, gegen die jede Abwehr wirkungslos ist.
Die Drohne ist ein rund 24 Meter langer, von einem Atomreaktor angetriebener Torpedo. Bei den Russen heisst die Waffe Ozeanisches Mehrzwecksystem Status-6. US-Militärs haben sie Kanyon getauft.
Offizielle amerikanische Kreise machen zu Kanyon keine Angaben. Zum ersten Mal berichtete darüber die Online-Zeitschrift «Washington Free Beacon» im September 2015. Damals hiess es, mit einem Prototypen sei erst 2019 zu rechnen. Doch nun ist kaum mehr als ein Jahr nach der erstmaligen Erwähnung ein Test gelungen.
«Als nuklear getriebene und nuklear bewaffnete Unterwasser-Drohne ist Status-6 das verantwortungsloseste Waffenprogramm, das Putins Russland je erfunden hat», sagte Mark Schneider, ein früherer Pentagon-Offizieller, dem «Beacon». «Status-6 ist dafür gedacht, Zivilisten durch eine massive Explosion und radioaktive Verseuchung zu töten.»
Der Experte untertreibt. Wie ein russischer Experte in einem Video-Interview ausführt, ist ein Hintergedanke der U-Boot-Drohne zusätzlich, dass die Explosion einer Wasserstoffbombe in grosser Wassertiefe einen gewaltigen Tsunami erzeugen würde. Er könnte die an den Küsten liegenden Grossstädte Amerikas und Europas mit gigantischen Flutwellen überschwemmen.
Die technischen Daten von Kanyon sind beeindruckend. Die wie ein grosser Torpedo aussehende Drohne kann eine Wasserstoffbombe von bis zu 100 Megatonnen TNT 10'000 Kilometer weit in einem Kilometer Tiefe durch die Ozeane tragen. Ihre maximale Geschwindigkeit wird mit 100 Stundenkilometern angegeben. Gesteuert wird Status-6 aus grosser Distanz von einem Kriegsschiff oder von einem Angriffs-U-Boot der Sarow-Klasse.
Fachleute gehen davon aus, dass die Existenz dieses unheimlichen Waffenprogramms 2015 absichtlich «geleakt» wurde, um die USA zu warnen. Putin reagiert mit den Planungen auf die westliche Absicht, in Osteuropa zusätzliche Raketenabwehrsysteme einzurichten. Mit den auf Schiffen platzierten Abfangwaffen will Washington russische Aggression abschrecken und verhindern, dass Moskau nach der Annexion der Krim-Halbinsel weitere Eroberungen erwägt.
Putin seinerseits will mit den U-Boot-Drohnen die US-Abwehrsysteme umgehen. An einer Besprechung mit Militärs kündigte der russische Präsident 2015 an: «Wir werden in einem ersten Schritt zuerst die Angriffssysteme entwickeln, die fähig sind, beliebige Antiraketensysteme zu überwinden.»
Eine kleine, geräuschlos tief im Ozean schwimmende Atomdrohne wäre schwer zu orten und auszuschalten. Ihr Zerstörungspotenzial ist jedoch gigantisch. Die USA entwickeln laut «Beacon» ebenfalls Unterwasserdrohnen. Sie sollen in erster Linie auskundschaften und Seeminen räumen. Das Pentagon plant aber nicht, die Drohnen mit Nuklearwaffen zu bestücken.
Experte Mark Schneider wirft der US-Regierung vor, nichts gegen Putins Atomdrohnen zu unternehmen. «Das Obama-Aussenministerium scheint am Steuer zu schlafen», sagt er. Solche neuen Waffen seien nach Abrüstungsverträgen meldepflichtig. «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Verhandlungen im Gange sind oder dass die USA dieses Thema überhaupt gegenüber Russland vorgebracht haben.»

Interne Verweise

Kommentare

04. Okt 2017

Ein starker Text, der schwer erschreckt -
Weil sehr viel Wahrheit in ihm steckt ...

LG Axel

Alfred Mertens
04. Okt 2017

Erschfeckend , wohl in seiner Srenge,
wirkt dieser Text in seiner Länge !

05. Okt 2017

Nicht nur ein besonderer Tag, sondern auch eine besondere Geschichte...beschreibt sie doch den letzten aller Tage - den "jüngsten" sozusagen. Ein ganz besonderes Grusel-Kompliment

Gruß
Alf