Neues aus Vogelland

Ich befinde mich in einem Weitweg. Es ist gleich um die Ecke und es ist unbeschreiblich kurios. Drei große Ledertreppen führen in eine Gummischlucht. Dort stehen Häuser aus Stroh. Ihre Dächer sind mit Leim gedeckt. Durch ihre Eisplattenfenster kann man die Gelatinebäume sehen, die mit Motorenöl gegossen werden müssen. Dann wachsen Wolleblumen aus ihren Astlöchern …

Die Sonne beleuchtet Wolken aus Blech, die sich scheppernd gegeneinander verschieben. Was für eine Melodie?! Die Menschen dort heißen (komische) „Vögel“, was ihre Entstehung erklären soll. Aber sie tragen keine Federn auf dem Kopf wie zum Beispiel Pinguine. Sie gehen auch sonntags in keine Krypta zum Flehen. Dafür turnen sie in gehörnten Schuhen durch eine gleißende Finsternis voller Zimtsterne und pudern sich den Rücken, Zoll für Zoll, mit Lametta.

Semmelbröselwerfend kommen die Postillione angedröselt, mit Mienen aus vielversprechendem Honigtau, auf dem verdrehten Hals. Jeden Tag verteilen sie Mahnungen, genauer gesagt schriftlich geforderte Gefühlsbezeugungen unter der unschuldigen Bürgerschaft. Dafür verteilen die Bürgerinnen Küsse an glühende Drachen, aus der Herbstwelt windiger Stürme.

Bunte Zellophanschmetterlinge schwingen sich, aus ihren Schokoladensternen, hoch in die Luft und trällern ihre Schlager: „Weit, weit, weit ist die Welt und ich bin da, wo‘s mir gefällt." Die in die Felswände eingenähten Köpfe der Radiosprecher geben munter ihren Senf dazu … „Cowboys aller Länder, vereinigt euch, am besten mit den Kühen, denn die sind harmloser als – wer?“

Unträumbar eilen die Stunden dahin und die Kuckucksuhren schlagen den Takt dazu, den Tick-Takt, hörbar nur von den Roboterherzen im Freizeitparadies, hinter der Zimmerlinde. Glocken aus Gras läuten die Mitternacht ein. Im uferlosen Fluss brandet die Sahneflut. Sie überspült die Gipsbüsten in der Vorstadt. Dann graut es dem Morgen und er beginnt nur zum Schein!

Die ersten Fliegen gehen den Dächern der Strohhäuser auf den Leim. Die ersten Leierkästen orgeln die Nationalhymne und die ersten Liebeserklärungen verlassen die Plastiktüten aus den Einkaufzentren der Lust. Dann spazieren die Peli-khane aus den Schmalzpagoden vorbei, wie eine Armee aus atonal instrumentalisierten Straßenmusikanten … ohne je einen Ton.

Regen fällt! Regen aus Holzspänen. Die Blechwolken raspeln tonnenweise Süßholz in die Straßen. Es fällt spitz auf den Styroporasphalt. Das goldene Vlies ist überall an den Fahnenstangen der Staatspropaganda gehisst und das fehlende Sonnenlicht hat der Bürgermeister gleich mit dazu lügen lassen, damit man, geblendet, über sich lächeln kann.

Die Verlorenen, so munkelt man hinter Vorhaltungen, hätten sich mit den Gesuchten zusammengetan, um die Regierung zu überstürzen. Aber das ergibt keinen vollziehbaren Sinn. Es sind eben bislang nur Gerüchte. Sie brutzeln in den Küchen unter dem Eichenlaub. Nur keine Schwerter … dafür aber Verdienstkreuztaler in allen Größenordnungen. Hauptsache platt!

Und draußen, weit hinter der Gummischlucht, brechen die Quatschdämme unter dem Ansturm der Wunderheuschrecken. Leicht, ganz leicht erhebt sich die Glaswolke des Dumpfseins in einen Äther aus halbseidenen Vorgaben. Das Theater beginnt. Schnüre werden verteilt, die Akteure sehen sich dadurch angehalten, sich kampflos zu übergeben und widerspruchslos mit dem Gleitflug zu beginnen. An virtuellen Schirmen schweben sie ihren Lebenslauf entlang, wobei sie genau spüren können, wohin das führt. In die unendliche Ewigkeit aus rosa Seifenblasen.

Sie sind Kreidestriche auf der Tafel des Lichts, Glühwürmchen im Feuer des Paradieses, ja, sie sind vorprogrammierte Abschiede – nichts weiter. Aber das Vogelland lebt! Es verteilt seinen Segen ungleichmäßig auf den Stufen der geduldeten Weisheit. Sein Gesang ist unendlich in der Endlichkeit dessen, was geplant wurde, um das Anwachsen der Weltbevölkerung zu überstehen …

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