Weihnachten waren 1978 anders als sonst gewesen. Mein Vater hatte sich im Vorfeld beim Sägen des Christbaums die Hand verletzt. Meine Mutter hatte sich beim Kochen eines Fondues den Arm verbrannt. Mein Bruder war vor dem Haus ausgerutscht und aufs Steissbein gefallen. Meine Schwester hatte sich von ihrem Freund getrennt, und unsere Katze war bei Nacht und Nebel vor ein Auto gerannt und überfahren worden.
Da kam die Nachricht, dass unser Hund am Weihnachtstag 4 Jungen werfen würde, gerade recht. Und so drehte sich unser Weihnachtsgespräch vor allem um die 4 Jungen, die bald das Licht der Welt erblicken würden. Mutter sicherte zu, dass sie 4 Kleidchen stricken würde. Vater versprach, eine grössere Hundehütte zu bauen, meine Schwester versprach, ihre ungenutzte Liebe weiterzugeben, mein Bruder meinte, er würde das Futter einkaufen gehen. Nur für mich gab es nichts zu tun. So beschloss ich, die bevorstehenden Geburten abzuwarten und versuchte mehrmals, das Weihnachtsgespräch in eine andere Richtung zu lenken. Vergeblich.
Im Nachhinein bin ich meiner Familie heute dankbar, dass mein Versuch misslungen war, denn so herzlich und mitfühlsam wie an jenen Weihnachten 1978 habe ich alle aus unserer Familie nie mehr erlebt.
© René Oberholzer