Die Brücke

Bild von Anita Zöhrer
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Ohne Ende und Anfang war sie. Jene Brücke, die ich überschritt, auf der Suche nach alten, verlorenen Freunden, Chancen und Träumen. Nie folgte mir jemand nach, nie kam mir jemand entgegen. Nur das leere Blau des Himmels über mir und die Fluten des Meeres unter mir. Ich war einsam. Und wollte es nicht anders. Ich wusste nicht, wohin mein Weg mich führen würde. Und wollte es auch gar nicht wissen. Es hatte sowieso alles keinen Sinn mehr. Mein Leben. Mein Streben nach Wissen. Meine Suche nach den alten Zeiten. Es war zu spät zum Umkehren. Und zum Weitergehen fehlte mir mehr und mehr die Kraft. Ich konnte nicht mehr. Und ich wollte auch nicht mehr. Ich wollte nicht noch mehr Reisen bestreiten, voller Mühen und Tränen, um doch nicht anzukommen. Wollte nicht Teil dieser Erde sein, die mich doch nicht wollte. Wollte nicht Teil einer Gemeinschaft sein, die nur den Nutzen in mir sah und nicht spüren konnte, was ich fühlte: Schmerz und Trauer. Verlassenheit, wie sie wohl nur jene kannten, die aus freiem Willen Abschied von dieser Welt genommen hatten. Ich wollte nur noch meinen Frieden. Und den fand ich auch in jener Nacht, in der meine Sehnsucht nach dem Tode am stärksten war. Ein morsches Brett. Ein Krach. Und schon trugen mich die Fluten hinfort in eine neue Welt. Eine Welt, in der ich fand, wonach ich mich so sehr gesehnt hatte: das Heil meiner Seele.

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