Sehnsucht

Tiefdunkle Schatten zogen in mein Leben herein und trieben mich in die Enge. Bedrohlich wirkte die Welt um mich herum, die mir fremd geworden und nicht mehr auf mein Wohl bedacht war. Was ich leistete, reichte nicht. Was tat ich hier noch, wenn ich ohnehin nutzlos war?
Messerscharf waren die Worte all jener, die es gut mit mir zu meinen glaubten, mich in Wirklichkeit
jedoch nur weiter in die Arme des Todes drängten.

Je lauter der Tod nach mir rief, desto mehr wehrte ich mich gegen ihn. Trotz allem hing ich an meinem Leben und wollte nicht sterben. Dennoch gelang es ihm, mein Herz für sich zu erobern.

Eines Nachts holte er mich in seine Welt. Es war eine Welt, in der es kein Leid gab und keine dunklen Wolken den Tag trübten. Ich fühlte mich so glücklich wie seit einer Ewigkeit nicht mehr.

Der Tod und ich machten es uns ins Gras gemütlich. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und er seinen Arm um mich. Warme Sonnenstrahlen schienen auf uns herab und wir waren umgeben vom Duft der Blumen und Kräuter auf der Wiese. Ich nahm mir vor, stark zu bleiben. Zu sehr hatte ich mich bereits auf den Tod eingelassen, nicht noch weiter wollte ich gehen. Doch wie konnte ich ihm widerstehen, wenn er mir so viel Wärme und Zärtlichkeit entgegenbrachte? Ich brauchte ihn ebenso wie er mich.
Er küsste mich. Zaghaft erwiderte ich seine Berührungen. Tausend Gründe schossen mir durch den Kopf, dagegen anzukämpfen. Trotzdem ließ ich es geschehen. Seine Nähe war Balsam für meine Seele. Dass ich mich innerlich so sehr gegen sie sträubte, würde ich mir nie verzeihen.

Auch wenn meine Sehnsucht nach dem Tod überwältigend war, bereitete ich unserer Beziehung noch in derselben Liebesnacht ein Ende und beging damit einen großen Fehler. Immer weiter wuchs in mir die Trauer über seinen Verlust. Ich suchte Halt bei anderen Männern und wusste, dass ich ihn doch nie finden würde. Vermisste die Geborgenheit, die er mir in jener Nacht geschenkt hatte. Nur eine Illusion wäre sie gewesen, behaupteten alle, mit denen ich darüber sprach. Ich hatte gedacht, ich wäre frei, wenn ich ihn gehen ließe. Doch noch weiter fiel ich in mein tiefes Loch hinein.

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