Sperrstunde

Bild von Anita Zöhrer
Bibliothek

Ruhe kehrt ein. Endlich. Einer meiner Kollegen ist mit seiner Bierflasche auf seinem Tresen eingeschlafen. Ein anderer lehnt auf einem Sessel und schnarcht. Es ist wieder einmal ein harter Arbeitstag gewesen.

Ich kehre gerade auf, als ein gutaussehender Mann das Lokal betritt.

„Wir haben geschlossen.“
„Ach wirklich?“
Der Mann grinst mich an und setzt sich an den Tresen.
„Haben Sie was an den Ohren? Wir haben geschlossen!“
„Ein Glas von Ihrem besten Wein, per favore, und Sie sind natürlich eingeladen.“

Ich werfe meinen Besen zu Boden. So etwas Freches habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Und ich erlebe vieles hier bei meiner Arbeit.

„Also schön, ein Glas und das war’s“, ermahne ich meinen Gast und schenke uns beiden roten Wein ein. Dass es nicht bei dem einen bleiben wird, ist mir von Vornherein klar. Aber zumindest ist mein Gegenüber hübsch. Wäre er dies nicht, hätte ich ihn ohnehin schon im hohen Bogen rausgeworfen.

Aus einem Glas wird eine Flasche. Wer hätte das gedacht. Angeheitert ziehen mein Gast und ich uns in eine gemütliche Ecke zurück und kuscheln aneinander. Meine beiden Kollegen bekommen nichts von all dem mit, was dann geschieht. Ob sie in ihren Träumen auch so viel Spaß haben? Ich bezweifle es sehr.