Das Geständnis - Page 3

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vorsichtiger sein.
Beunruhigt Sie mein Geständnis? Soll ich aufhören? Nein? Hahaha, was für eine Frage. Manchmal bin ich richtig humorvoll, finden Sie nicht auch? Sie müssen es sich ja anhören. Sonst erfahren sie nichts über Marie. Die süße kleine Marie. Aber immer schön der Reihe nach.
Also in dieser Nacht habe ich verdammt gut geschlafen. Keine Träume, aus denen man wütend aufwacht. Eine kurze Zeit lang dachte ich sogar, jetzt ist alles gut. Eine sehr kurze Zeit. Damals machte es mir Angst, als die Unruhe wieder anfing. Sagte ich schon, dass ich noch ziemlich dumm war? Heute weiß ich natürlich, dass es so kommen musste. Sehen Sie, es ist wie mit dem Hunger. Man schlägt sich am Abend den Bauch voll und am nächsten Tag knurrt der Magen wieder. Und was machen Sie dann? Richtig. Sie essen.
Dummerweise konnte ich meinen Appetit nicht stillen indem ich an den Kühlschrank ging. Weil mein Appetit nicht nach Salami und Schnitzel verlangte. Er brüllte nach Fleisch. Lebendigem Fleisch. Nach pulsierenden Arterien unter meinen Händen. Oh ja, ich hatte es nicht vergessen, dieses Pulsieren, während ich dem Hund den Hals zudrückte. Dann fingen seine Augen an, mich zu verfolgen. Nein, nicht böse.Wann immer ich sie vor mir sah, hatte ich dieses angenehme Ziehen in der Lendengegend. Aber dieses Ziehen machte mich nicht glücklich. Im Gegenteil. Dem Ziehen hätte das große Beben folgen müssen. Dieses Beben, das die Wut in wohliges Stöhnen verwandelt. Das so erlösend ruhig und frei machte. Und wieder wurde es Zeit, etwas zu tun.
Haben Sie sich nicht gewundert, dass ich am Anfang vom Freund meiner Mutter sprach? Doch? Warum fragen Sie mich dann nicht? Kleiner Scherz, ich lasse Sie ja gar nicht zu Wort kommen.
Im Oktober des gleichen Jahres wurde ich 14. Die Herbstferien hatte begonnen.
Was gucken Sie denn so erstaunt? Ich ging natürlich auch in die Schule.
Wie jeder 14-jährige. Saß meine Zeit so unauffällig wie nur möglich ab. Das stand dann auch immer in den Zeugnissen: * ... unauffälliges Verhalten, bla bla bla:* Ich war ein wahrer Meister im unauffällig sein. Konnte den größten Scheiß bauen, keiner kam jemals auf mich. Nicht der leiseste Verdacht. Ich war so unauffällig, dass keinem auffiel, dass ich keine Freunde hatte, nie zu Geburtstagen einlud und nie eingeladen wurde. Ich erledigte meine Hausaufgaben, fehlte nie, hatte immer alles dabei, meldete mich kaum, gab jedoch Antworten, wenn ich dennoch dran kam. Wenn Sie heute einen meiner alten Lehrer nach mir fragen würden, würde der sie sicher ganz erstaunt fragen, von wem Sie sprechen. Und so war es überall. Mein Vater konnte sich sicher nicht mal zu Lebzeiten an mich erinnern. Der hatte sich alle seine Erinnerungen längst weggesoffen. Meiner Mutter fiel ich nur auf, wenn ich was brauchte, also brauchte ich selten etwas, und für meine älteren Brüder schien ich gar nicht erst existent zu sein. Es war, als gäbe es mich nur in meiner Fantasie. Und wenn es mich nur in meiner Fantasie gab, warum sollte ich ihr dann nicht freien Lauf lassen?
Müssen nicht selbst Sie mir da Recht geben? Nein, Sie brauchen nichts zu sagen, nicken Sie einfach. Sehen Sie, ich wusste, dass wir gut miteinander auskommen werden.
Verstehen Sie das, mein Freund? Jetzt gucken Sie doch nicht so wütend. Lassen Sie mich für eine kurze Zeit einen Freund in Ihnen sehen. Dann plaudert es sich doch viel angenehmer.
Ich spreche hier auch von Wertigkeiten. Wertigkeiten sind eine zweiseitige Sache. Ich hatte keinen Wert für die, die hatten keinen für mich. Außer in diesen besonderen Momenten. Da wurden einige Auserwählte wertvoll. Für mich, das Beben und dieses Wahnsinnsgefühl der Freiheit.
Habe ich Wahnsinn gesagt? Sagte ich schon, dass ich ein humorvoller Mensch bin? Hahaha. Herrjeh, Sie verstehen ja gar keinen Spaß.
Was wollte ich denn nun eigentlich sagen? Sehen Sie, was Sie anrichten? Lassen Sie doch diesen grimmigen Blick, sonst breche ich unsere kleine Unterhaltung ab. Ahhh, geht doch.
Meine Mutter hatte also diesen Freund. Nein, nicht, was Sie denken. Sie war eine anständige Frau. Natürlich starb vorher mein Vater. Alles hatte seine Richtigkeit. Sein Tod war ein einschneidender Moment in meinem jungen Leben. Ich tötete viele Tiere, hatte viele schöne Momente. Aber irgendwann war es nicht mehr, wie es sein sollte. Die Unruhe kam schneller und stärker zurück, als je zuvor. Ich rannte mir fast die verfluchte Lunge aus dem Hals, am Anfang half es ein wenig, aber dann klappte auch das nicht mehr. Ich glaubte, mein Kopf wollte explodieren und meine Träume erschreckten mich selbst.
Bis zu jenem Tag. Eigentlich müsste ich es nicht mehr erwähnen, aber er kam nicht gerade nüchtern nachhause. Mein Zimmer hatte keine Heizung und draußen war es verdammt kalt für Oktober. Also saß ich in der Wohnküche. Na ja, nicht so wirklich. Mehr so in der Wohnküche auf meiner zweiten Ebene. Dort sollte man aber nicht sein, wenn der Vater besoffen nachhause kommt. Er muss wohl irgendwas zu mir gesagt haben. Ist aber nicht auf meiner Ebene angekommen. Der Schlag, der kam an. Ich flog mit so einer Wucht gegen den Spülschrank, dass mir schwarz vor Augen wurde. Vielleicht, weil ich so benommen war, vielleicht auch, weil ich eh nicht in der besten Verfassung war ... ich vergaß mich für einen Moment. Langsam kam ich wieder auf die Beine, sah ihm ins Gesicht und sagte ganz ruhig: "Fass mich noch einmal an und ich steche Dich ab wie ein Schwein." Sein Gesicht hätten Sie sehen müssen. Die Augen sind ihm fast aus dem Kopf gesprungen, so starrte er mich an. Leider hielt die Starre nur sehr kurz an und ich begriff, dass ich mich mit meinem Versprechen übernommen hatte. Also drehte ich mich um und rannte aus dem Haus, in die Scheune. Auf die Tenne würde er in diesem Zustand kaum kommen, dachte ich und ich dachte verkehrt. Er kam und brachte sogar noch den alten Ochsenziemer mit. Sie können sicher verstehen, dass ich nach einem Fluchtwg suchte. Aber es gab keinen.
Das hätten sie mir fast geglaubt, nicht wahr? Nein?

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