Der Wald liegt schwarz, als ob er tief im Dunkeln lauert.
Und stolz erhebt sich Achims Festung, so erhaben:
auf Berges Kamm, wie unbesiegbar, kühn gemauert!
Den höchsten Turm umkreisen, windgetragen, stets die Raben.
Heut sitzt gebeugt auf seinem Thron der junge König.
Sein Herz ist schwer – ihn quälen des einz‘gen Bruders Taten.
Karl hinterging ihn – Zweiter nur zu sein, war ihm zu wenig.
Enttäuscht ist Achim, dass sein Bruder so missraten.
Jetzt heißt es handeln! Jeder Aufschub ist gefährlich!
Mit wehem Blick sieht er die Wahrheit vor sich stehen:
Ein hartes Urteil ist zur Rettung unentbehrlich,
sonst werden Volk und Reich mit ihm nun untergehen!
(König Achim:)
„Den arglistigen Täter führt mir her!
Den Bruder, der mich zwingt, zu strafen schwer.
Nach boshaft Handeln und Betrug stand ihm der Sinn!
Doch König war und bin ICH – weiterhin.
Er hat mir schon entrissen folgsam' Leute!
Betrog mich schwer und wähnte sicher seine Beute,
hat mein Vertrauen auf das Übelste verletzt!
Der Sieg ist mein – drum sei ein Ende nun gesetzt.“
So zerrt man vor den Thron, Karl, den Verräter.
Sein Antlitz zeugt von Hochmut, nicht von Reue.
Er weiß, der Tod folgt seinen Schritten wenig später,
denn ihm war eigene Macht mehr wert, als Treue.
(König Achim:)
„Ach, Bruder! Warum fielst du in den Rücken mir?
Gar schlecht Berater waren Streben dir und Gier.
Mein Königreich erschüttert! Doch liegt es nicht danieder.
Ein Schrecken bloß fuhr ihm durch alle Glieder!
Wie ich dich liebte. Dir vertraute – meinem Blute!
Und meine Blindheit straft mich nun mit großem Schmerz!
Herausgerissen aus dem Leibe wie den Glauben an das Gute
hast du mein kindliches, dir wohl gesonnenes Herz!
Dich dünkt, du warst im Recht? Oh, nein! Mitnichten!
Mir Diener sein, Gehorsam schenken, waren deine Pflichten!
(Bruder Karl:)
„Seht, wie ich lache, großer König – bei meiner Seele!
Ihr seid verblendet, wähnt euch klug – das ist ein Traum!
Mein Streben nach dem Thron ich nicht verhehle.
Doch Eure Jugend lässt der Weisheit keinen Raum.
Ihr sprecht von Liebe?! Nennt uns Brüder, die von einem Blute?
Nur unser Mutter Leib uns je gemeinsam war!
Der alte König – so besessen, boshaft – kannte nicht das Gute!
Er fluchte, als sie mich, den Älteren, gebar!
Er, der Euch später zeugte, nahm sie sich entgegen aller Ehre!
Er mordete den Bruder, meinen Vater, für sein Glück!
Es wundert Euch, dass ich mich meiner Treu‘ verwehre?
Mich nahm er hin als ungeliebtes Pfand – gleich einem Narrenstück.“
(König Achim:)
So find' ich keine Reu‘ in deinen Worten?
Fühlst du dich edel gar und von Gewissen rein?
Gelobtest mir die Treu an allen Orten …
doch hinterrücks wolltest du selber König sein?!
Seit wann? Wie lang hast du dies Spiel mit mir getrieben
und meine Hof-Gefährten gegen mich gebracht?
Auf dass sie mich nicht mehr als ihren Herren lieben.
Hast ihnen falsche Hoffnungen gemacht?
Mit wie viel Gold hast du sie zu dir hin gezogen
und sie, genau wie mich, gewissenlos belogen?
(Bruder Karl:)
„Oh, großer werter König, lasst mich kundtun, wonach Ihr mich befraget.
Damit kein anderer Euch ein Zeugnis mit viel Falschem saget:
Dem Tag der Krönung wohnte schon der Anfang inne!
Ich hab die Jahre eurer Macht gezählt sogleich.
Es standen mir alsbald nach Eurem Thron die Sinne
– nun gut – Ihr habt gesiegt und haltet Euer Reich.“
(König:)
„Bekümmert bis ins Mark siehst du mich leiden.
Doch muss ich mich nun gegen dich entscheiden.
Dein Tod sei dir gewiss!“
(Bruder:)
„Noch eine Gnade:
Mein Weib und meine Kinder müssen mit mir sterben!
Sie hätten nichts als lauter Spott und Hohn zu erben!
Sie hielten zu mir, als das Bruder-Band zerriss.“
Dem König fährt ein Schrecken durch die Glieder!
Sein Herz war stets der Schwägerin zugetan!
Wie oft sah er sie schmachtend an – nie wieder
will er sie lassen seinem Bruder, ihrem Mann.
Sie zählt, genau wie er, erst siebzehn Lenze
und ward mit dreizehn schon mit Bruder Karl vermählt.
Der war mit zwanzig schon ein Mann – und das zur Gänze.
Wie hatte Eifersucht doch Achims Herz gequält!
(König:)
„Niemals! Ich werde sie erretten.
Dein Weib sei mein,
sie will ich frein,
und deine Kinder lehren,
mich zu lieben und zu ehren!
Für dich die Eisenketten!
(Bruder:)
„Oh, diese Schmach! Ihr seht mich klein, am Boden liegend und in Nöten!
Lasst mir nur diese Ehr' und meine Lieben vor mir töten!“
(König:)
„Genug! Ich kenne dich nicht mehr! In Ketten!
Du darfst allein auf deinen Tod – durch Henkers Hand – noch wetten!
Gleichwohl, die Untreuen, die mit dir gingen
soll'n vorab nun ein Totenlied mir singen!
Dein Ende wird in Bälde sein.
Doch erst hinfort mit allen dieser Meute,
denn nimmer wieder wär‘n sie wohl gelittene Leute!
Dein Weib und Kinder seien mein.“
Da ruft es an des Saales Tür,
ein Hämmern, Klopfen, Brüllen!
Es tritt die Schwägerin herfür –
folgt nicht des Wächters Willen!
Sie läuft zum Thron und wirft sich nieder!
„Oh, habt Erbarmen, lasst Karl frei!
Ihr seht uns niemals, niemals wieder!
Wir ziehen fort und sind Euch treu!“
Ihr Blick ruht zärtlich, voller Liebe,
doch angsterfüllt auf ihrem Mann.
So deutlich sind die Herzenstriebe,
dass Achim sie erkennen kann.
Ein Stich durchbohrt ihn, Ohnmacht kränkt!
Und blind, von Zorn und Wut gelenkt,
stürzt er sich auf sie nieder
und schlägt sie – immer wieder!
Als atemlos er von ihr lässt,
schaut sie ihn an – den Blick so fest!
Da reut ihn schon sein Handeln!
Er weiß, er wird ihr Gatte nicht,
für sie wär‘ s kalte, grausam Pflicht.
Er konnt ihr Herz nie wandeln.
(König:)
„Geh du allein. Die Kinder seien
dir weiterhin erhalten.
Ich wollt dich frein! Jetzt nicht mehr – nein.
Bald siehst du Karl erkalten.“
Die Maid streicht tränenblind ihren Bauch …
und wankt zur Tür. Verloren!
Zum Turm hinauf! Die Kinder auch!
Als ob Karl hätt‘s beschworen …
Der Wald liegt schwarz, wie abgrundtief er dort im Dunkeln lauert!
Und stolz erhebt sich Achims Festung, so erhaben.
Es stürzt die Frau samt Kindern von dem Turm, der fest gemauert!
Und bald umkreisen sie im Waldesgrund die Raben.
Ein Wächter kommt und überbringt die Schauer-Kunde!
Die beiden Brüder – fassungslos! Sie haben sie geliebt!
Gleich in den Kerker wird gebracht Karl zu der Stunde.
Zu seinem Volk dann Achim spricht – noch tief betrübt:
„Bin ich nicht euer Diener stets gewesen?
Fürwahr – mein ganzes Streben galt dem Reich!
Es bleiben meines Bruders Schriften ungelesen –
das Feuer, das entfacht, verbrennt sie gleich.
Kein Freier darf noch sein, der ihn bewundert!
Kein Untertan, dem weiter er ein Held.
Es gehen in den Tod mit ihm fast Hundert!
Wer mich betrügt – hört – dessen Tage sind gezählt!
Den tiefsten Kerker Karl bewohn,
das ist gerechter Frevlerlohn!
Bis seine Treuen Mit-Verräter,
ehrlose, böse Übeltäter,
in ihren Gäbern liegen schon.
Nun wohl – besiegt ist er!
Und wird im Morgengrauen schon sein vergessen.
Er hätte nie mit meiner Kron auf meinem Thron gesessen!
Darum, gebt mir die Ehr!
Volk – ihr Händler, Handwerker und Bauern,
bleibt mir stets gut!
Gerechtigkeit wird sein und überdauern!
Für dieses hehre Ziel sei all mein Mut!
Ihr Ritter! Getreue – gelobt mir abermals die Treu!
Auf dass der Frieden fortan unter uns und mit uns sei!“
Bar aller Freud, durch grausam Schicksals Hand allein gelassen,
blickt Achim trauernd von dem Turm – der Festung Stolz.
Er hatte sich auf seinen Bruder, den er liebte, stets verlassen …
Fürwahr, der ward geschnitzt aus einem anderen Holz!