Fernseh-Wein

Bild für das Profil von Heide Nöchel (noé)
von Heide Nöchel (noé)

Ein Klischee ist aufgebraucht:
In allen Filmen wird geraucht ...
Der reitende Marlboro-Mann
verschwand klammheimlich irgendwann.
Auch in der Werbung - ungelogen -
sind Rauchsignale abgezogen.

Und das ist gut so. Und gesünder
für uns, erst recht für unsre Kinder.
Wir hingen ab im Elternrauch -
die Folge war: Wir rauchten auch.
Laut hat die Lobby einst geschrien,
den Nichtrauchern dies nicht verziehn ...

Vielleicht ist's nicht der Rede wert -
es gibt da was, was MICH sehr stört,
etwas, das macht mich sehr betroffen:
In allen Filmen wird gesoffen ..
Zwar ist es stets der "edle" Wein,
die Schickeria schenkt sich ein,

ein Gläschen noch, komm, sei nicht fad,
der Wein ist gut, um ihn wär's schad,
die Flasche machen wir noch leer ...
und morgen wissen wir nichts mehr.
Trosttrinken bei Verzweiflungstaten,
den roten gibt es gleich zum Braten,

beim Kochen selbst gibts weißen Wein,
davon schenkt man sich reichlich ein,
der Absacker darf auch nicht fehlen,
die Gläser darf man gar nicht zählen,
wie viele Flaschen leer da stehn,
kann man beim Morgenschwenk dann sehn.

Gesoffen haben sie wie ein Loch.
Tags drauf, da stehn sie immer noch
aufrecht und grad ... und fühln sich wohl,
trotz jeder Menge Alkohol,
treffen als Richter, wichtige Leute,
Entscheidungen großer Tragweite,

und wenn sie mittags essen gehn,
sieht man schon wieder Wein da stehn.
Würd Alkoholkonsum verboten
in Filmen, sänken Einschaltquoten?
Ist Kamera-Saufen guter Stil?
Vermittelt das Lebensgefühl?

Rotwein bekommt dem Herzen recht,
ein Glas in Ehren ist nicht schlecht,
doch dieses "Trinken" ohne Maß -
was für ein Vorbild ist denn das?
Ein steter Tropfen höhlt den Stein -
das gilt auch für den Fernseh-Wein ...

noé/2016

Gedichtform: 
Thema / Schlagwort: