Den rauen Stein behauen
sei unsre erste Pflicht.
mit Lot und Winkel schauen,
ob er dem Zweck entspricht.
Der Zweck ist Harmonie,
da fügt sich Stein an Stein.
Denn es vermag nur sie,
im Grossen ganz zu sein.
Bleibt unbedacht der Zweck,
ist alle Kunst vergebens.
Denn fällt die Absicht weg,
fällt auch der Bau des Lebens.
Elmar Vogel Oktober 2019
Kommentare
Neulich befasste ich mich wieder mit der Gotik, ihren Türmen, Bogen, Plastiken, dem Chor und und und.
Alles ist Zahl - ausgerichtet auf das Zahlenwerk in der Bibel. Tolles Gedicht !
HG Olaf
Lieber Olaf, vielen Dank für deine positive Kritik. Ja, die Gotik ist wirklich faszinierend, obwohl der Begriff Gotik eigentlich eine Abwertung war: stilo-gotico = barbarische Bauweise. In der Gotik selbst sprach man von der Normannischen Bauweise. Ich bin ja selbst vom Baufach, daher der direkte Bezug zum Baugeschehen. Bei meinem Gedicht geht es eigentlich mehr um das Hintergründige. Das Bauwerk und die damit verbundene Tätigkeit dient hauptsächlich als Metapher. Ja, und dann bin ich auch Freimaurer - da geht es im Wesentlichen um Bildsprache um den Gebrauch von Symbolen aus der Tradition der alten Werkbünde -sprich der Dombauhütten.
Der erste Vers soll verdeutlichen, dass die Arbeit an sich selbst immer im Vordergrund steht. Gemäß einem altenglischen Bauhüttensprichwort: "Die Arbeit am rauhen Stein versinnbildlicht das Streben nach Selbstvervollkommnung." Bei dieser Arbeit an sich selbst wird man immer wieder, die - für sich selbst- für gültig befundenen Wertmaßstäbe an sich anlegen - bzw. sich selbst prüfen.
Im zweiten Vers geht es um Selbstfindung und die Gruppe und das Zusammenspiel. Es geht darum seinen ganz bestimmten Platz in der Gemeinschaft - in der Gesellschaft - in der Welt - im Leben zu finden und einzunehmen. Der dritte Vers ist in diesem Sinne dann selbsterklärend. Man kann die drei Verse auch als Hinweis auf die drei Stufen: Lehrling, Geselle Meister deuten: Der Lehrling arbeitet am rauen Stein, der Geselle fügt sich in die Baubruderschaft ein und der Meister befasst sich mit den schicksalhaften Elementen des Daseins.
Herzlichst
Elmar