Gute Nacht Merlin - Protokoll eines Trauerjahres

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von Cleo Cleo

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Motto

„Erkenntnis nach 45 Jahren Zweisamkeit
 Eine Einladung der Liebe war bereits die Verabredung im Jenseits.
 Sich Finden und Erkennen in Liebe im Diesseits,
 Ist der Weg zur Wahren und Göttlichen Liebe.
 Ein Vorgefühl zur Ewigkeit.
             (K. W.) - Weihnachten 2007“

Meine Erkenntnis nach zwölf Jahren einer wundervollen Freundschaft:

„Alles gaben die Götter, die Unsterblichen, ihren Lieblingen ganz. Alle Freuden, die unendlichen – alle Schmerzen, die unendlichen, ihren Lieblingen ganz“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Vorwort

Ich widme diese Aufzeichnungen voller Zärtlichkeit, Dankbarkeit und Liebe Klaus W. - einem großen Liebenden und wundervollen Freund.
Wer sie als „pietätlos“ empfindet und glaubt, dass ich mit ihnen „das Andenken eines Verstorbenen beschmutze“, den gehen sie nichts an, denn er hat nichts verstanden.
Aber alle Verständigen und Verstehenden sind mir willkommen. Ihnen möchte ich von diesem besonderen Menschen Klaus W., den ich den Weisen Merlin nenne, erzählen:
Er gehört zu den Menschen, die der Theologe Eugen Drewermann „durchsichtig“ nennt:
durch manche Menschen, so schreibt er, scheine das Licht Gottes ungefiltert hindurch und bringe sie zum Leuchten. Das verleihe ihnen die Gabe, alles um sich herum allein durch ihre Gegenwart heller und wärmer zu machen.Genau so habe ich Klaus in den letzten zwölf Jahren seiner irdischen Existenz erleben dürfen.
Mir war er Freund, spiritueller Berater, moralische Instanz und heimlicher Geliebter – bis seine irdische Existenz jäh und brutal am 31. Oktober 2016 erlosch.
An diesem Tag starb er gemeinsam mit seiner Frau bei einem von ihm selbst - vermutlich durch Unachtsamkeit - verschuldeten Verkehrsunfall. Ich ahnte und wusste davon nichts – erfuhr erst vier Tage später von seinem Tod.
Sein ältester Sohn rief mich an und überbrachte mir die Todesnachricht – und ich verlor mich in einer Trauerspirale. Um zu überleben, begann ich, dieses Tagebuch zu führen.
Es endet formell mit dem kalendarischen Ende des Trauerjahres. Aber das bedeutet nicht, dass dieses Kapitel meines Lebens abgeschlossen ist.
Ich habe nur für mich selber eine Zäsur gesetzt:
Ich rebelliere nicht mehr gegen Merlins Tod, sondern ich akzeptiere ihn.
Ich akzeptiere ihn, aber ich finde mich nicht ab.
Ich finde mich nicht ab, sondern ich gewöhne mich daran, dass ich mich NICHT gewöhne.
Ich lebe mit meiner Traurigkeit wie mit einer chronischen Krankheit.
Aber bei allem Kummer weiß ich doch, dass die Begegnung mit dem Weisen Merlin Klaus W. einer der großen Glücksfälle meines Lebens ist. Ich verdanke ihm viel - und ich
danke ihm von ganzem Herzen für das wundervolle Geschenk dieser zwölf gemeinsamen Jahre.

Pixit in Februariii MMXVIII – CLEO alias Almuth Wessel

Prolog
31. Oktober 2016, 11.50
Über der Soester Börde leuchtet ein heiterer Spätherbsttag. Der Himmel ist strahlend blau und fast wolkenlos, die tief stehende Herbstsonne wirft lange Schatten.
Auf der B 516 zwischen Soest und Werl fließt der mittägliche Stoßverkehr: Mütter, die ihre Kinder von der Schule abholen, Hausfrauen auf Einkaufstour, Außendienstler, unterwegs zum nächsten Kunden, Pflegedienstmitarbeiter auf dem Rückweg von ihrer morgendlichen Runde ... Eine zügig und stetig dahin rollende Karawane von Klein- und Mittelklassewagen, die jäh zum Halten kommt.. Bremsen quietschen.... dumpfes Krachen und das Splittern von Glas: auf einer Kreuzung tanzt ein kleiner roter Citroen, der überraschend aus der Nebenstraße aufgetaucht ist, mit zwei anderen Kleinwagen ein makaberes Ballett. Er macht einen grotesken Luftsprung und überschlägt sich, die beiden anderen Autos kreiseln um ihre eigenen Achse, demolieren die Wegweiser am Straßenrand und kommen mit eingedrückter Motorhaube zum Stehen.
Kurz darauf passiert ein Wagen die Unfallstelle - der Fahrer bremst, steigt aus und rennt zu den Autowracks. Einen Augenblick lang starrt er fassungslos auf das Bild der Zerstörung: am schlimmsten hat es den Citroen erwischt. Die beiden anderen Wagen haben ihn fast synchron von beiden Seiten gerammt - er ist nur noch ein formloses Knäuel aus zerknautschtem Blech.
Der Mann späht durch die zersplitterten Scheiben ins Wageninnere, erkennt schemenhaft hinter den ausgefahrenen Airbags den Körper einer blonden Frau.... Er greift durch ein Loch in der zerborstenen Frontscheibe nach ihrer Hand und spricht beruhigend auf sie ein: „Halten Sie durch, es kommt sofort Hilfe...“
Von weitem ertönt das rasch lauter werdende Jaulen des Martinshorns.
Die Frau im Wrack des Citroen erwidert den Händedruck des Mannes und setzt zum Sprechen an ... aber dann lockert sich ihr Griff und ihre Hand entgleitet ihm…In diesem Augenblick rückt der Bergungstrupp mit der Rettungsschere an und trennt das Dach des Wagens auf.
Der Notarzt beugt sich über die Frau und schüttelt den Kopf: „Exitus....“
Erst als ihre Leiche aus dem Wrack geborgen wird, kommt der Fahrer des Wagens zum Vorschein. Er ist in den Fußraum gerutscht, begraben vom Körper der Frau, besinnungslos und wie eingesargt in die deformierte Karosserie und die Trümmer des zerborstenen Armaturenbretts. Noch während ihn die Retter aus diesem Chaos heraus schälen, stirbt er, ohne noch einmal zu Bewusstsein zu kommen.
Zwei weitere Rettungstrupps bergen die Insassen der anderen Wagen: Eine alte Dame , die mit ihrer Tochter zum Einkaufen nach Soest gefahren war, stirbt wenige Stunden später an ihren Verletzungen, eine Altenpflegerin, die eine Patientin in Werl versorgt hatte, wird lange im Krankenhaus liegen...
Es dauert Stunden, bis das Unfallgeschehen protokolliert, die Spuren gesichert, die Autowracks abtransportiert sind.
Die Leichen des Paares aus dem roten Citroen werden in die Pathologie überführt,.die Autowracks von der Staatsanwaltschaft sichergestellt.
Am späten Nachmittag sind alle Spuren verweht. Die Lache auf dem Straßenpflaster, wo aus einem der Wagen Kühlwasser ausgetreten war, ist eingetrocknet – und der Feierabendverkehr verwischt die letzten Reste der Kreidemarkierungen, die die Polizeibeamten auf den Asphalt gezeichnet hatten.
Über der Soester Börde geht ein heiterer Spätherbsttag in einen klaren und kalten Abend über. Der Himmel ist immer noch fast wolkenlos und die untergehende Sonne verbreitet ein warmes, goldenes Licht. Der Verkehr auf der B 516 fließt wieder reibungslos....

31. Oktober 2016, nachmittags....
Nachbesprechung im Polizeipräsidium Soest. Die beiden Toten aus dem roten Citroen sind rasch identifiziert . Ein stadtbekanntes Ehepaar ...Er: Geschäftsführer des örtlichen Tennisclubs, sie : Gästeführerin beim Fremdenverkehrsamt.
„Sind die Angehörigen schon benachrichtigt?“ fragt Polizeirätin Kerstin M. vom Verkehrskommissariat. „Ja – der Kollege ist unterwegs...“
Am Abend wissen die vier erwachsenen Söhne,

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Der Bilderzyklus von dem in diesen Aufzeichnungen die Rede ist, kann auf der Facebook-Seite "Eros und Thanatos - Liebe und Tod" eingesehen werden

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