Einsicht

Bild von Horst Fleitmann
Bibliothek

Ein Herr ging dem Berufe nach,
tagtäglich, ehrlich, pünktlich, brav.
Sehr gern verkaufte er Avancen
durch das platzieren von Annoncen
in Zeitungen und Illustrierten,
für Waren die sonst schwer brillierten.

Für Reisen gar in ferne Lande,
bis an des Kontinentes Rande.
Für Fleisch, das, wenn's gut durchgegart,
dem Käufer fast das Kau'n erspart.
Für Pullis, Mieder, Hemden, Taschen,
für Groß und Klein etwas zum Naschen.

Für Handys die fast alles machten,
bei Traurigkeit auch lauthals lachten.
Für Flachbildschirme, die von seitlich
nicht mehr erkennbar sind, wie greißlich.
Für Nüsse, Blumenkohl und Eier...
Im Grund' war's stets die gleiche Leier.

Bald sah der Herr im Arbeitsleben
dem letzten Arbeitstag entgegen
und fragte sich, ob was er tat
der Menschheit wohl gefallen hat.
Er schlägt die Zeitung morgens auf
und liest: komm kauf Mensch, kauf, kauf, kauf.

So lang er denkt war der Konsum
sein Lebenssinn und Optimum
von dem, was er vom eignen Ich
erwarten kann, sagt er zu sich.
Und er erzählt, so hört man's heuer,
das Leben sei zu kurz und teuer.

Sehr spät ward es dem Herrn gewahr,
eines vergaß er offenbar:
Das, was das Leben sinnvoll macht:
Die Liebe. Diese große Macht.
Wer sie erfährt in seinem Leben,
dem wird sie ganz umsonst gegeben.