Hoffnungsträger

Bild von Jürgen Wagner
Bibliothek

Einer

der das Heim schon jung verlässt
den die Umwelt kaum ermisst
Zeichen einer Zeit erkennt
Feuer zündet, was entbrennt

Der erweckt und man erwacht
eintaucht in des Geistes Macht
ohne Schrecken und Gewalt
wird jedoch dabei nicht alt

Einer, der ein Heiler ist
der hinauswirft manchen Mist
Raum schafft für die Lebenskraft
öffnet Erd- und Himmelsmacht

Einer, der vor Reichtum warnt
was als höchstes Glück sich tarnt
Einer, der den Hochmut zeigt
aufbricht die Gesetzlichkeit

Einer, der viel Frieden bringt
segnet, liebt, um Heilung ringt
findet gute, klare Worte
ist von einer and'ren Sorte

Der besucht, die man verachtet
Der die Dinge klar betrachtet
Der das Große sieht im Kleinen
Kleines auch im Großen scheinen

Der mal öffnet eine Tür
Jahrtausende verneigen sich dafür

2015-16

Mehr von Jürgen Wagner lesen

Interne Verweise

Kommentare

Jolanthe
08. Mai 2016

Eine ungewöhnliche Liebeserklärung

Was der Begründer des Christantums wirklich so grundlegend anders als die vielen anderen Reiligonsgründer?

Hier ist eine empathische Antwort in dichterischer Form jenseits aller Dogmen, eine unverstellte Schau dessen, was an Jesus revolutionär und einmalig war und was uns helfen könnte, wahrhaft menschlich zu werden. Besonders wohltuend, dass nirgends ein Sühnetod für unsere "Sünden" erwähnt wird.

Lyrisch ausgezeichnet, inhaltlich befreiend und wegweisend! Ein Gedicht, das nur von diesem Autor kommen konnte, der auf seine Art auch ein Hoffnungsträger ist.

08. Mai 2016

Ja, so etwas ist das schon! Ich habe in schwierigen persönlichen Situationen immer gerne einen Blick auf i h n geworfen, auf das, was die ersten 3 Evangelien aufbewahrt haben. Und es war sehr oft hilfreich. Er war zu seiner Zeit einer, der neuen Wein in neue Schläuche füllte. Das ist immer das Schlimmste, was eine Religion befürchtet. Neuer Wein in alte Schläuche: ja. Aber auch die Form noch erneuern?

Das Allerletzte, was er sein wollte, war 'Gott' oder eine zu verehrende Gottheit. In einer Apokalyptik-geschwängerten Zeit folgte er Johannes dem Täufer, was sich als Irrtum herausstellte: das Reich Gottes kam so nie. Aber es kam eben in den vielen Situationen, wo jemand geheilt, etwas zurechtgerückt oder eine(r) angesprochen wurde. Aber nie als die große messianische Erlösung, wie sie Propheten weissagten, sondern als Erlösung hier und da. Ich glaube, dass er sich tatsächlich mit den messanischen Erwartungen seiner Zeit auseinandergesetzt hat, aber ob er sich tatsächlich je ganz mit dem Menschensohn oder dem rettenden König (Messias) identifiziert hat ....? Das hatte ja alles politische Implikationen - und ein Kämpfer gegen die Römer war er nie: gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!

Das mit der Sühne hängt mit dem letzten Mahl mit seinen Schülern zusammen, weil er so ziemlich wusste, was auf ihn zukam - und, wie Sokrates, nicht fliehen wollte. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er einen Kelch Wein während dieses Passahmahls dazu nutze, um seine Liebe und Hingabe zu versinnbildlichen - so wie die Bitterkräuter für die bitteren Frondienst in Ägypten standen, so deutete er den Wein als sein Blut, das bald fließen wird - und das Mazzenbrot als seinen Leib, der bald sterben wird. Die kirchliche Lehre hat daraus eine Erlösungstheologie geformt, ja etwas Letztgültiges - aber die Ursprünge sind sehr menschlich und direkt zwischen ihm und den ihm vertrautesten Menschen, die er ein letztes Mal noch um sich hatte.

Vorpfingstliche Grüße! Jürgen Wagner

Jolanthe
16. Jun 2016

Großen Dank für diese ausführliche Antwort, die vieles neu erhellt, manches zurecht rückt und meiner Seele wohl getan hat! Jolanthe

04. Okt 2016

Ja - vielleicht tragen wir selbst ja auch ein wenig davon in uns ... Danke! JW