Lucy and me in the woods with lions

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Wir fühlten das Gras wachsen an den Hängen der Senken, wo wir während
der Hundstage lagen. Kaum dass Sirius den Dämmer klärte, erwachten wir
und zogen wir weiter. Tagsüber spreizte der Himmel sein blasses Gefieder
über Afar und ich redete mit Lucy und den Wolken. ‘Ich webe uns ein Boot aus
Schilfrohr, Schwester’, versprach ich. ‘Das dauert zwanzig Jahre. Darin fahren
wir den Nil rauf, Moses retten.’

Später im Jahr kehrten wir in die Wälder zurück, und nachts, auf den Bäumen,
während mir die Augen zufielen, sah ich uns wieder mit Hyänen und Löwen
ums Aas kämpfen und mir sträubten sich die Nackenhaare. Der Vögel
schrilles Geschwätz und das Kreischen der Affen rissen uns früh aus dem
Schlaf und prompt überfiel uns dieser verdammte Hunger, diese Gier nach
halb vergammeltem Fleisch - trotz Früchten und Nüssen im Überfluss.

Kahl und von Narben entstellt waren unsere Knie, die ihr lobt und preist in
euren Büchern und sonstwo. Die Prankenhiebe zäher Bestien verfolgten uns
bis ins Geäst der Bäume, und auf unseren Waden wuchs kein einziges
Haar mehr.
Ihr habt Recht: Es war mühselig, aufrecht zu schreiten und unser wiegender
Gang hätte euch weniger an die Monroe als an einen betrunkenen Seemann
erinnert; doch wir wollten uns keinen Tag länger zum Affen machen.

Verfluchter Wadi, dessen jäher Wasserflut Lucy zum Opfer fiel! Mit Rana und
Alsalib, ihren Töchtern, pilgerte ich durch Dornsavannen bis zum Turkana-See.
Paradiesisch hätten wir dort noch ein Weilchen gelebt, wären nicht Wildhunde
aufgekreuzt, die uns bestialisch zerfleischten; so wurde nicht faul, was an
unseren Knochen hing, nach denen ihr schürft wie nach Gold. ‑ Haben Sie in
jener Gegend auch schon gegraben, Mrs Leakey?, Professor Johanson? ‑
Graben Sie nur, graben Sie ...

... unter den 11 besten Gedichten bei einem Wettbewerb der "Kültürtage" Augsburg,
ich meine, es war im Jahr 2013

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