Wo noch der Feudalismus grünt

Die Lebenden und die Toten ziehen
zur Votivkapelle am Starnberger See –
und ihre bleichen Wangen verglühen,
bei Tag und Nacht, wie silberner Schnee.

Die Geister feiern den König der Zeit,
der sich als wohltätiges Monster erwies.
Er war zu jeglichem Unfug bereit –
wobei er „Ludwig der Zweite“ hieß.

Bayern verdankt ihm, im Heute und Jetzt,
Ruhm und Reichtum, golden verbrämt.
Doch Ludwig wurde zu Tode gehetzt –
er hat sich eben für gar nichts geschämt!

Er floh zu den Sternen, als edelster Ritter,
doch er fühlte sich einsam und verlassen.
Sein grausiger Nachhall stößt, süßlich-bitter
auf, angesichts der pilgernden Massen.

Weint eine Träne für diesen Despoten!
Auch hat er ein zärtliches Lächeln verdient.
Es wissen die Kritiker, wie die Devoten,
wo noch sein herrlicher Feudalismus grünt.

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