Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Bild von Alf Glocker
Bibliothek

57. Schritt

Eine Umkehr ins Unumkehrbare,
ein Abstecher ins Anderswo –
eine Reise durch alles Gute, Erfahrbare,
das wünsch ich mir so!

Ich bin völlig verrückt
nach einem Du und der Welt –
mich hat beides entzückt!
Der Verstand ist längst abbestellt!

Er hat sich faulstens vertrödelt,
in ganz seltenen Anflügen,
doch, wie sehr er auch blödelt –
ich kann mich einfach nicht besiegen!

Und ich, das ist keiner,
der etwas nur herbeizaubern möchte,
der Seltensten einer,
der nicht auch mal was dächte…

was dächte, das ganz ohne Bleiben,
den Sachverhalt, den Pragmatismus flieht,
um seine Sinne zu reiben,
an dem was an und aus zieht.

*

59. Schritt

Vertrau auf sie, sie helfen dir,
sie sind dir Leid und Faden hier,
sie machen klug, sie steh’n dir bei –
sie lassen dich nicht irren!

Sie kitten alles: Hirschgeweih,
gewöhnliche Zerwürfnisse –
hör‘ auf natürliche Bedürfnisse.
Lass dich doch nur verführen!

Sie zeigen dir den rechten Weg,
verlieben dich kurz, weg vom Fleck,
sie geben Frohsinn ab im Dreck,
sie denken für dich aus dem Bauch!

Sie übersehen Kümmernisse –
die natürlichen Bedürfnisse,
nur dadurch kannst du dir vertrauen
und auf die schöne Zukunft bauen.

Die Zu-Kunft ist eine Kuh-Zunft,
ist eine Trallala, ist ein Warum-nicht,
aber keinesfalls ist sie Murphys Low,
ja, nicht einmal eine Zirkus Show!

*

61. Schritt

Als ich mich in den Augenblick verliebte,
verliebte ich mich in dich!
Aber der Augenblick sagte zu mir:
„Ich habe mich in dich verliebt!“

Da ich nicht wusste, daß sich
Augenblicke materialisieren können,
zog ich einen Kreis um mich,
tanzte darin herum und erwog
noch andere Geister zu beschwören.

Aber der Augenblick kam immer wieder
auf mich zu, lächelte mich an
und verzehrte sich nach meiner Seele…

Deshalb erschrak ich zum Leben,
wand mich in seinen Fesseln und rief:
„Du hast mich doch schon oft geschändet –
warum willst du, daß ich gegessen werde?

Da besann sich der Augenblick, drehte
sich um die eigene Achse und verschwand
in einer weißlichen Nebelwand, aus der
mich nur noch einziger Satz erreichte:

„Ist das nicht zum Wahnsinnigwerden?“
Wer von uns ihn geäußert hatte,
konnte ich nicht mehr herausfinden…
Augenblicke können sehr gefährlich sein!

©Alf Glocker

Veröffentlicht / Quelle: 
Auf anderen Webseiten

Interne Verweise

Kommentare

25. Feb 2015

DER Augenblick ist gut gewesen -
Gerne dies Gedicht gelesen!
LG Axel

26. Feb 2015

57., 59. und 61. - allesamt verdammt gut geschrieben!!
Ich würde sagen: Bin sehr beeindruckt! Toll!
(... und nebenbei denke ich: Dem Mann wurde ein Gehirn aus dem Paralleluniversum implantiert - das kann nicht von dieser Welt sein ... "very strange").
Viele Grüße,
Cori

26. Feb 2015

Vielen Dank Cori und Axel

LG Alf