Der Kuss von hinten

Bild von Horst Fleitmann
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Wer den Kuss verdichten will,
sucht die Verse dafür still.
Fällt dem Dichter erst nichts ein,
denkt er in den Kuss sich rein.

Wer vom Küssen nichts versteht,
nicht weiß, wie ein Kuss-Vers geht
das doch schnell erlernen kann:
Man fängt mit dem Ende an !

Und, ihr wisst es ja, ihr Lieben:
Oft ist's nicht beim Kuss geblieben.
Daher wird in dem Gedichte
nur erzählt die Kuss-Geschichte.

Fangt also von hinten an,
erst kommt mal das Kuss-End dran.
Wenn die Sinne nach dem Küssen
Purzelbäume schlagen müssen,

er und sie, weil ganz benommen,
langsam voneinander kommen
und dem Himmel nun entschweben,
sich die Zungen sanft entweben. ...

Wenn, das Ende fest dann steht,
reimend man zum Anfang geht,
dauert's bis zur ersten Zeile,
wenn es gut läuft, eine Weile.

Irgendwann doch ist erreicht
dass die Liebste sich erweicht.
Wenn jedoch sie sich verwehrt
läuft die Dichtung arg verkehrt.

Dann stünd jeder schöne Vers
zu der Liebsten kontrovers.
Also fängt der Dichter dann
besser doch von vorne an.

© Horst Fleirmann, 2021

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