Odysseus am Straßenrand

Bild von Kerim Mallée
Bibliothek

Die wahre Erkenntnis ist ein alter Mann.
Ich kenne ihn.
Jeden Morgen sammelt er Flaschen auf,
um mittags von ihrem Pfand zu essen.
Seine Augen sind leer.
Er hat kein Haus,
aber ein Bett.
Es hält ihn nicht warm
und daneben steht auch kein Nachttisch,
sondern ein Hut,
in welchen manchmal,
die vorbeigehenden Passanten Münzen werfen.
Deren Klang verhindert,
dass er flüchten kann.
Unter seinem Kopfkissen aus Zeitungen
liegt ein Buch.
Sein einziges Buch.
Eine alte,
vergilbte
Ausgabe von Homer.
Damit flüchtet er nach Troja,
begegnet Agamemnon, Herakles,
sogar Zeus.
Wie oft ist er schon mit Odysseus heimgekehrt?
Dieses Buch,
das lässt ihn träumen.
Doch jedes mal,
wenn eine Münze in seinem Hut klingt,
wird er daran erinnert,
dass seine Odyssee noch lange nicht zu ende ist.
Er kann aus der Realität so weit flüchten wie er will,
der Klang einer Münze
die nicht einmal zum leben reicht,
holt ihn zurück.
Und jedes Mal fragt er sich:
„Wie bin ich hier gelandet?

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