Dem Dämon verschrieben

Bild von Tilly Boesche-Zacharow
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Die vorliegende Dichtung entstand in der Nachkriegszeit 1948/49 und ist das Frühwerk der Autorin. Der in 57 Teilen zu einer Einheit verschweißte Zyklus behandelt das Faust/Gretchen-Thema, dem sich auch andere - z.B. Kiergegard und D'Annuncio - gewidmet hatten: Erlösung durch Liebe. Der charismatischen Ausstrahlung eines Verführers verfällt ein Mädchen, jung, unschuldig. Sie sieht sich als seine Adeptin. Nachdem ihr sein Verrat bewußt geworden ist, opfert sie sich für ihn und verschafft ihm die Erlösung. Dieses Buch ist gewidmet der Erinnerung an den Berliner Dichter und Schriftsteller Rolf Gündel * 04.März 1910 +August 1960

1.
Wenn ich die Sage singe
vom Dichter, der da kühn
sich über alle Dinge
hinweg zu heben schien,

dann solltet ihr mir lauschen.
Denn die Moral besagt:
Man soll nie Dinge tauschen,
um die man später klagt ...

Er war nicht schlecht, nur süchtig;
Er glaubt ', sein Leben sei
der ganzen Menschheit wichtig.
Doch das war Narretei ...

Man muß sich ständig fügen
dem Schatten und dem Licht.
Ob ich dem selbst genüge?,
Das sage ich euch nicht.

2.
Ein Jüngling hört' im Traume
- von dem Dämon empfahn -
dass über Zeit und Raume
nur ewig währt der Wahn.

Dass alles Glück der Zeiten
so rasch vergänglich ist,
weil Gott durch Ewigkeiten
das Zeitliche vergißt.

Drum - wird ein Mensch geboren,
der sich dem Dämon weiht,
wird er vom Geist erkoren
für die Unsterblichkeit.

Er wird vom Licht zerrissen,
von Dunkelheit betäubt
und fühlt, vom Schmerz zerschlissen,
dass der Dämon ihn treibt.

3.
Oft fühlte er ein Drängen,
den andern weh zu tun,
zu rauben und zu sengen
und mußt' doch friedlich ruh' n.

Ganz ohne Furcht zu leben
war schlimmer ihm als Tod.
Doch blieb ihm noch das Streben,
zu tun, was Gott gebot.

Nun, der hat ihn erschaffen,
gab gut und böse bei
dass dieses seine Waffen
gen Menschenunbill sei.

So fühlt er sich gepeinigt
von Mächten, die noch nicht
in ihm sich selbst geeinigt -
Doch weh, wenn Sturm losbricht.

4.
Ich geb nicht meine Kräfte
an Kleinigkeiten hin.
Man gab mir Lebenssäfte
und für das Große Sinn.

Ich such des Höchsten Wahrschild,
verpfänd' dafür mein Herz,
auf dass das Große stillt,
was Kleines gab mir Schmerz.

Wie kann der Mensch nur hassen,
im Wahnsinnstaumel stehn?
Ich würd vor Scham erblassen,
müßt ich mich je so sehn.

Oh Geist, trotz Zeitenwandel
lass mir das Eine nur:
dass ohne Tausch und Handel
ich geh auf deiner Spur.

5.
Es sprach zu ihm der Teufel:
,,In deinem Innern haust
ein arger, böser Zweifel,
genau wie einst bei Faust.

Ich durft schon jenem helfen,
wie wär es mit uns zwei?
Die Zeit der süßen Elfen
geht langsam wohl vorbei.

Du gibst mir deine Seele
und leistest drauf Verzicht.
Dann - weiter dich nichts quäle,
mehr Dank begehr ich nicht;

und meinem lieben Sohne
füll ich ohn' weit´res Pfand,
als Kleinigkeit zum Lohne
das Herz mit einem Brand!"-

6.
Verfemte Geister riefen
ihn dann in ihren Kreis;
und aus der Hölle Tiefen,
da wogt es wild und heiß.

Wie faßte das Verlangen
das junge Herz ohn' Ruh,
und als sie in ihn drangen,
da sagte er rasch zu.

"Ich will euch gerne dienen
als Dämon, unter euch!
Die Gesten und die Mienen
lern ich in eurem Reich.

Ich will den Preis euch geben -
ihr Geister, seid bedankt.
auch ohne Seele leben
ist nicht zu viel verlangt."

7.
Den Teufel Furcht erfaßte,
er dachte drum an Kampf.
Es war beim Mensch zu Gaste
Freund Schwefel, Pech und Dampf.

Weil dieser vielleicht klüger
zum Meister selber würd,
wurd er an ihm Betrüger,
der ihn zum Kampfring führt.

Es war ein hartes Ringen.
Es kämpften Leib und Geist,
bis sich nach all den Dingen
der Klügere erweist.

"Ich werd den Sieg dir lassen,
bis dich ein Mädchen küßt!"
Der Jüngling konnt 's kaum fassen,
dass er nun Meister ist.

8.
So hört mich an, ihr Geister,
die ihr im Dunkel weilt.
Jetzt bin ich euer Meister.
Nur ich und - ungeteilt.

Ich hab den Sieg errungen.
Wen stört ein Vorbehalt?
Ich ward vom Geist durchdrungen,
mich lockt nicht Weibsgestalt.

Ich fiel - aus lichten Höhen,
verlor das Flügelkleid,
um jubelnd aufzugehen
zur neuen Ewigkeit.

Ich bleib zwar in den Tiefen,
doch ist mein Geist so leicht,
dass, wenn ihn Götter riefen,
er bis zum Himmel reicht.

9.
Ich gab in einer Stunde
die Liebe hin für Kraft.
Es schmerzt mich keine Wunde -
ich hab den Weg geschafft.

Es fürchten mich die Geister,
die mich dereinst verfiihrt.
Jetzt nennen sie mich Meister,
weil sie die Macht gespürt.

Und was die Welt nun denket -
ich fühl Verachtung nur,
denn all mein Sinnen senket
sich ein in die Natur.

Ich brach das Band der Enge,
hab mich der Kunst geweiht.
Um so - vom Zwang der Menge
allein zu sein - befreit!

10.
Oh - Menschheit aller Zeiten,
wie hast du sie verfemt,
die aus der Menge gleiten
und deren Wort dich lähmt.

Hast du Villon verstanden
und seinen Geist erkannt?
In Shakespeare ist erstanden,
was Welten setzt in Brand.
Wohl, Schillers Werk ist blieben.
Doch - blieb das Urteil rein?
Denn schon bei Goethes Lieben
ward die Moral zur Pein.

Auch werd ich kaum verstanden
als Mensch, der frei sich rang.
Das schafft zerriss´ne Banden,
doch Freiheit im Gesang.

11.
Da stehn die armen Schatten
und eifern an der Seit,
weil ich mich von dem platten
Gesindel hab befreit.

Ich will die Lieder singen,
die sich in mir erdacht.
Sie sollen alle zwingen,
entreißen ihrer Nacht.

Er möchte ihnen bringen
sein Licht, um es zu sehn,
die zarten Goldsyringen,
wie sie im Winde wehn.

Er will die Menschen fangen
in ihrem eig 'nen Schmerz.
Doch als die Lieder klangen,
da war 'n sie ohne Herz.

12.
Sie sollen mich nur schelten !
Ich zwinge sie in Bann.
Ich werde es vergelten
mit dem, was ich errang.

Ein Werk aus hohlen Köpfen
ist oftmals schon erdacht.
Doch wie erging 's den Tröpfen -
was wurd aus ihrer Macht?

Die Lieder, die ich

Veröffentlicht / Quelle: 
erstellt und herausgegeben 2006; Mathilde u. Norbert Boesche Verlag Berlin - Haifa Bindung: Moshe Trubnik

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