Brief an eine junge Dichterin

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Sehr verehrte Dichterin!

Ich habe Ihnen zwei meiner neuesten Gedichte geschickt,
das eine „Vielleicht, ist das ...“ um Ihnen meinen Dank auszusprechen,
da Sie vieles in mir durch Ihren Gedichtband bewegten.
Ich bin Sinnsucher, „Wortdieb“ und versuche alles, was ich lese, unterbewusst zu verarbeiten, um mit dem Vokabular des Es meine Ideen, was das Dichten angeht, zu bestärken, ihm eine höhere Feinheit, eine Zärtlichkeit und einen Klang von dialektischer Poesie geschliffen wie Diamant und Kristall zu verleihen: Edel, aber auch hart, strafend, aber auch liebend, um die Worte zu entrücken, die mein sehendes Ohr in sich in Bruchstücke fängt.
Aber dies tun wohl alle feinen Dichterherzen!
Das zweite Gedicht widme ich Ihnen, da ich finde, ich muss Ihnen meine Verehrung und Freundschaft schenken und weiter an Ihren Büchern mich festsaugen.
Ich bin erst 23 Jahre jung und hoffe, auch eines Tages in der Familie Suhrkamp meinen Platz zu finden.
Die Lektorin, mit der ich zusammenarbeite, Frau Sabine Landes vom „Insel Verlag", hält Stücke auf mich, doch sie ist sehr fordernd. Ich habe das Gefühl, ein Fass ohne Boden zu sein, was das Schreiben angeht, und dies ist mein Schmerz, denn so wird es noch dauern, bis ich die Perfektion zu Ende geschliffen habe, doch wir Dichter sind alle bodenlos, Sie in besonderem Maße!
Ich habe mich dieses Jahr für den „Leonce-und-Lena-Preis" beworben, doch scheint mir, dass dieser Schritt zu früh war, denn es wird dauern, bis mir solche Ehre geschenkt wird, auch bin ich noch zu kraftvoll in meiner Stimme, was aber nicht auf das Gedicht, das ich Ihnen widmete, zutrifft. Ich freue mich mal, einem Dichterfreund mitteilen zu können, wie es um mich steht, und, vor allen Dingen, mich zu bedanken für die wunderbaren Illuminationen, die ich Tag für Tag geschenkt bekomme.
Ich würde mich sehr freuen, wenn auch ich Ihnen ein paar Ideen, Bilder und Worte schenken durfte, auch würde es mich freuen, wenn ich mal von Ihnen, liebste Dichterin, einen Brief erhalten könnte.
Ich denke, Sie werden vielleicht an einem Theaterstück schreiben, oder vielleicht einen neuen Gedichtband erstellen, und ich wünsche Ihnen viel Glück für einen Kranichsteiner, Dresdner, Mondseer oder Meran-Lyrikpreis.

Viel Glück dabei!

PS: Ich schreibe zur Zeit an einem Theaterstück: „Die Brücke ist ..."

Herzlichst,

Uwe Kraus

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