Die Wang

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Die Augen fielen mir zu aber einen letzten Klick schaffte ich noch und schon war das Ding bezahlt. Nun besass ich ein solarbetriebenes Mini-Mikrofon. Es hatte sogar Bluetooth. Das war schon ein cooles kleines Gerät. Es war nur noch zu überlegen wozu ich es benutzen wollte. Weil mir spontan nichts einfiel, stand ich vom Küchentisch auf, klappte den Laptop zu, schlurfte zum Bett und liess mich hineinfallen, doch nicht ohne vorher noch einen beiläufigen Blick auf den kleinen Plastikcontainer zu werfen der unterm Bett stand. Vollgestopft mit ehemals supercoolem Krimskrams, wie zum Beispiel dem selbstleuchtenden USB Ventilator, dem batteriebetriebenen Kaffeetassenwärmer, der kleinen Lügendetektorplatine, die aber nur etwas anzeigte wenn man die Elektroden an Frida, meine fleischfressende Pflanze anschloss und sie fütterte, und noch ein Dutzend weitere Spontankäufe aus dem Onlineshop. Ich machte das Licht aus und schloss die Augen.

Die Plattform schwankte leicht und der Wind brachte die Stahlseile an der sie hing zum vibrieren. Joey, mein Kollege im Bereitschaftsputzdienst der Organisation, nahm mit der linken Hand die Sprühflasche mit Reinigungsmittel, sprenkelte ein bisschen auf die Aussenseite des Fensters vor ihm und wischte mit einer einzigen, oft trainierten Bewegung kunstvoll den Staub und den Fliegendreck vom Glas. Ich machte dasselbe mit dem Fenster auf meiner Seite, nur nicht so effizient. Die ganze Fensterfront war vielleicht in einer Woche zu schaffen wenn das Wetter mitspielte. Ich schaute unauffällig durch die Scheibe in das Büro dahinter und sah wie eine kleine, stämmige Asiatin in schwarzen Pumps und grauem Businesskostüm auf und ab durch den Raum tigerte. Sie sprach in Ihr Smartphone, hielt die Ellenbogen weit abgespreizt als wollte sie abheben und hatte den Zeigefinger ihrer freien Hand wahlweise an der Hüfte, an der Stirn oder in der Nase. Ich hörte absolut nichts. Die Fenster waren dreifach verglast. Das brachte mich auf eine Idee. Ich bückte mich auf den Boden der Plattform und steckte meine Hand in die Umhängetasche mit den Mittags-Sandwiches. In der lag schon seit Tagen mein Mini Mikrofon, auf seine erste sinnvolle Beschäftigung wartend. Ich musste den richtigen Moment abpassen um das kleine Gerät unauffällig am Fenster anzubringen. Es war nur halb so gross wie eine Kreditkarte. Ich spuckte meinen Kaugummi aus, klebte es auf die Rückseite des Mikros um die Solarzelle auf der Vorderseite, vom Fenster weg, der Sonne entgegen richten zu können und schaute unauffällig wieder ins Büro. Die Frau sass jetzt an einer kleinen Sitzgruppe und hatte das Gesicht vom Fenster abgewandt. Ich streckte mich höher, täuschte mit der Linken eine Putzbewegung am Fenster vor und klebte dabei hastig mit der Rechten das Mikro in die rechte, obere Ecke der Scheibe. Es hielt. Ich drehte mich zufrieden um … und sah Joey. Er stand hinter mir und schaute mich einige Sekunden lang fragend an. Dann legte er sehr, sehr langsam die Hand auf den Steuerknüppel der Plattform und liess sie an quietschenden Stahlseilen nach unten zur nächsten Fensterreihe gleiten. Er sagte kein Wort.

Kurz vor Schichtende waren wir beide im Geräteraum im Keller und zogen uns um.
„Sag mal ...“, fing er an
„Was warn das da, am Fenster Heute?“
„Was war was?“
„Komm, stell Dich nicht blöd. Das Fenster im Dritten Stock, vor der Mittagspause. Da haste was drangepappt. Was warn das?“
Joey hatte den Fensterjob jetzt schon vier Jahre am Stück gemacht. Er war fit wie ein Eichhörnchen und so harmlos wie ein Stück Toastbrot, dachte ich.
„Ich wollte es mal ausprobieren.“
„Ausprobieren?“
„Na dieses neue Teil was ich im Internet gekauft habe. Ist ein solarbetriebenes Mikro“
„Aha“
„Ich weiss auch nicht. Ich habs schon ein paar Tage bei mir rumliegen und irgendwie hab ich daran gedacht, Heute, auf der Plattform.“
„Aha, n'Mikro … sag mal bist du völlig plemplem?“
„Wieso?“
„Na n'Mikro an der Fensterscheibe der Direktorin der Abteilung für Afghanistan und Pakistan. Weisst du eigentlich was passiert wenn das der Sicherheitsdienst mitkriegt? Haste Dir mal überlegt dass wir hier nicht die Fenster einer Dübelfabrik im Oberammergau putzen, sondern die einer Internationalen Organisation mit Diplomaten aus allen möglichen Ländern? Es gibt hier Kameras die permanent die Fassaden sämtlicher Gebäude überwachen.“
„Na ja, ich ...“
„Also wenn ich nicht wüsste dass Du so ein verklemmter kleiner Technikfreak bist, dann ...“
Die Tür des Geräteraumes sprang auf und Louis, unser Boss und der Adjunkt des Oberhausmeisters, stürmte herein. Er beachtete uns nicht weiter, befühlte nur kurz das faustgrosse Schlüsselbund an seinem Gürtel, seufzte und ging zu den Toiletten Nebenan. Man hörte es plätschern und dann ein Stöhnen. Joey sagte im Flüsterton:
„Wenn die Sicherheitsleute das mitbekommen haben, dann sind wir beide am Arsch, ist Dir ja wohl klar. Also wenn irgendeiner von denen Dich fragt ob Du was verdächtiges gesehen hast, beim putzen, dann hältst Du verdammt noch mal die Klappe, klar?!
Ich nickte.
Joey zog seine Jacke zu, setzte seine Schirmmütze auf und rief laut in Richtung Toilette:
„Hey Louis, was macht die Prostata? … Ich mach jetzt Feierabend.“
Louis stöhnte auf.

Die Woche verging. Die Fensterfront war fertig geputzt und der Sicherheitsdienst wollte weder etwas von mir noch von Joey. Ich sass vor Schichtbeginn in der Nähe eines Seiteneinganges, trank den ersten Kaffee des Tages und las E-Mails auf dem Handy. Das Display zeigte plötzlich ein neues Bluetooth Gerät in Reichweite an und der Name kam mir bekannt vor. Mein Mikro! Es lebte noch. Ich bestätigte die Verbindung, gab den Code für das Gerät ein und lud vorsichtshalber alle Tonaufzeichnungen herunter die sich bislang angesammelt hatten. Es waren 47. Dann ging ich zum Bereitschafts-Putzraum um mich mit Mopp,Besen und Eimer zu bewaffnen und auf Anweisungen der Hausmeisterei zu warten.

Es wurde kein ruhiger Tag. Eine iranische Delegation kam zu Besuch und es mussten Gebäudeteile mit beweglichen Barrieren abgesperrt werden, die zu Schleppen ich abkommandiert wurde. Dann sollte ich zwei Anderen dabei helfen einen Wandteppich abzuhängen weil in einer Ecke des Motivs drei paar nackte Frauenbrüste sichtbar waren und der iranische Botschafter, ein Mann, sich schon bei einem vergangenen Besuch darüber beschwert hatte. Ich kam erst dazu mir die Aufnahmen des Mikro anzuhören als ich nach Schichtende auf dem Nachhauseweg in der Bahn sass, mir die Kopfhörer einstöpselte und die Augen schloss.

Aufnahme 1:
„... mein Schatz, sei schön lieb. Die Aisha hat

Copyright Pip Hartwig 2018 - Ahnlichkeiten mit real existierenden Personen und realen Begebenheiten sind rein zufaellig. Die Geschichte ist frei erfunden.

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