Irre oder nicht irre

Bild von Alf Glocker
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Wegweisend für die Anfertigung von Wegweisern sind die Vorstellungen der Irrgärtner, denn in Irrgärten sind Wegweiser irrelevant. Die Qualifikation zum Irrgärtner erwirbt man dadurch, daß man irrsinnige Irrgärten erschafft, aus denen niemand mehr herausfindet. Die dazugehörige Prüfung muss beim Irramt der Labyrinth-Innung abgelegt werden.

Nicht prüfungspflichtig sind Minotauren! Sie gelten als Naturbegabungen und werden von Natur aus als hochqualifiziert betrachtet. Die Anwendung von Ariadnefäden durch Probanden ist verboten, da sie als Spickzettel angesehen werden. Ihr Einsatz wird mit strengen Strafen belegt!

Sollte es jemandem gelingen, aus einem Labyrinth, sprich „Irrgarten“, unbeschadet, ohne Spickzettel, sprich „Ariadnefaden“ herauszufinden, so ist er lebenslänglich für die Zulassung zum Irrgärtner gesperrt, es sei denn, er kann, als Skelett, seinen eigenen Hungertod, im Zentrum eines, von kundigen Irrgärtnern angelegten Labyrinthes vorweisen.

Die besten Irrgärtner dürfen, nach bestandener Prüfung und mehrmals gescheiterten Versuchen, aus den, von ihnen selbst angelegten Irrgärten herauszufinden, einen Irrgarten-Führer veröffentlichen - aber nur, wenn sie vorher lautstark verkündet haben, sich in allen Labyrinthen der Welt mühelos zurechtfinden zu können.

Unlängst wurde sogar in Irrland eine Akademie für Irrgärten und Irrtümer gegründet. Dort ist es den Studenten nicht nur erlaubt, sondern befohlen, die eigenen Irrtümer solange anzupreisen, bis sie selbst von Irren geglaubt werden. Illuminiert wird die Akademie ausschließlich von Irrlichtern!

Trotz der kurzen Zeit ihres Bestehens kann die Akademie bereits handfeste „Wunder“ vorweisen: sie wird des öfteren von sogenannten kosmischen Irrläufern heimgesucht. (Kosmische Irrläufer sind aus der Bahn geratene Materiebrocken des Asteroidengürtels.) Sie erschlagen hauptsächlich nicht irre Teilnehmer bei Vorlesungen.

Neuerdings der Akademie angeschlossen ist die Fakultät für den Irrwitz. Dort proben, bisher zurückgebliebene Kabarettisten das Erzählen von Irrwitzen, damit das Publikum immer etwas zum Weinen hat. Dies scheint, angesichts der Diskrepanz zwischen offiziell genehmigten Wegweisern und der Irr-Realität dringend nötig zu sein.

Auch sie dürfen sich schließlich – nach dem Absolvieren des Studiums der Irrwitze – gleichberechtigt, zusammen mit den Irrgärtnern, an der Aufstellung völlig irr- oder unsinniger Wegweiser beteiligen, auf die dann alle, wie von der Regierung (bestehend aus Vollpfosten) geplant, hereinzufallen haben! Das ist doch irre – oder nicht?!

*

Quarktaschen

Der Irrtum, und die andern Tümer
machen unser Leben schlimmer,
denn sie sparen sehr am Schätzen,
weil sie dumme Zeuge schwätzen
und sich nicht Gedanken machen
über die ganz wichtigen Sachen!

Wichtig ist, wenn wir uns nicht irren,
uns nicht in Versuchung führen,
jeden blöden Schrott zu glauben,
um uns selbst das Recht zu rauben,
uns zu schützen, wo man's braucht!
In den Wahnsinn eingetaucht...

können wir uns nicht mehr befreien
und auch schlecht um Hilfe schreien,
sobald uns wer ans Leder will!
Denn der Trottel bleibt auch still,
wenn man ihn am Marktplatz köpft!
Sein Verstand war stark geschröpft!

Er musste sich den Tümern beugen
und den Bestien, die da zeugen,
ohne sonst noch was zu können -
sich von aller Einsicht trennen,
die dem Menschen deutlich sagt:
du Depp, du hast zu viel gewagt!

Interne Verweise

Kommentare

17. Nov 2016

Witzig ist am Text was dran -
Was man nicht "irr" nennen kann ...

LG Axel

17. Nov 2016

es war irgendwie irre ihn zu schreiben -
irrer noch als ruhig zu bleiben.

LG Alf

17. Nov 2016

Hier finde ich wieder das beste Beispiel für unerschöpfliche Kreativität. Ein Thema dermaßen variationsreich auszubreiten, umwerfend.
Die Szenen, die Wortschöpfungen, einfach der mit gewolltem oder ungewolltem Humor gespickte Text, lässt mich immer mal laut lachen. Pardon. Köstlich. Hab ich begierig gelesen.
LG Monika

17. Nov 2016

Vielen Dank liebe Monika!

L Alf

17. Nov 2016

Ich war neulich in Irrkutsk... irre ....

LG Micha