Aconitum

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„Ist er nicht herrlich?“ schnarrte eine tiefe Frauenstimme. „Eisenhut, vom Blumenmarkt. Hätte gar nicht daran gedacht, in der Stadt einen so prächtigen zu finden.“

Die junge Frau saß da und starrte emotionslos auf das Geschenk ihrer Mutter. Sie liebte Mama, wie sie nicht müde wurde zu betonen. Mama hatte immer nur das Beste für sie gewollt, auf alles verzichtet, was ihr teuer war, sich krumm gelegt, um ihr das Studium zu finanzieren.

Diana hatte Pharmazie studiert. „Aconitum“ also. Sie liebte Blumen, sie liebte Mama. Warum nur hörte sie immer wieder diese Stimmen im Kopf „Jemand will mich vergiften.“? In allen Tonlagen. Die Stimmen wurden lauter, kreischten in ihrem Kopf. Sie fragte ihre Mutter mit leiser Stimme: „Hast du mich noch lieb, Mama?“ „Was für eine Frage, mein Dummerchen“, schnurrte diese und machte sich daran, Ordnung im Zimmer ihrer Tochter zu schaffen.

Das Telefon läutete, die Mutter hob ab: „Ja, wir haben es gerade so gemütlich miteinander.“ – zu Diana gewandt: „Papa lässt dich grüßen.“ Die junge Frau starrte immer noch vor sich hin. Sie merkte, dass sie fliehen wollte, aber sie war wie gelähmt. Dennoch schaffte sie es, den Notruf zu wählen, ohne dass ihrer Mutter es auffiel.

Einige Zeit später läutete es an Dianas Wohnungstür. Die Mutter öffnete und sah zwei Sanitäter dastehen. Einer der Männer fragte: „Frau Forsthuber?“ „Die bin ich“, antworteten die beiden Frauen wie aus einem Munde und Diana fügte mit leiser Stimme hinzu: „Jemand will mich vergiften“. „Dann kommen sie doch einmal mit, junge Frau. Mal sehen, ob wir ihnen nicht weiterhelfen können.“ Die beiden Männer nahmen Diana zwischen sich und führten sie in den Aufzug und von dort zur Haustür, vor der schon ein Krankenwagen auf sie wartete.

Frau Forsthuber senior ging ans Telefon, wählte die Nummer ihres Mannes und trompetete in den Hörer: „Alles gut gelaufen, Richard. Die haben sie mitgenommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ihren wirren Ausführungen Glauben schenken werden.“ Dann zog sie ihr Maniküre-Set aus der Handtasche und begann gut gelaunt ihre Fingernägel zu polieren.

Entstanden 2015

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Kommentare

17. Nov 2018

Makaber, Angelika. Aber es gibt solche Leute ... Und deshalb schäme ich fast, dass ich am Schluss so grinsen musste. Das ist Unterhaltung vom Feinsten. Lange nicht mehr solch gute Geschichte gelesen. Vielen Dank!

Liebe Grüße,
Annelie

17. Nov 2018

What?!? Wie?!?
Tolle Geschichte, mega geschrieben!!

Herzliche Grüße,
Ella

17. Nov 2018

Also - giftig sein kann auch Frau Krause gut!
(Zum Glück kocht die hier nur vor Wut ...)

LG Axel