Zu allen möglichen Anlässen pflegen wir, unseren Mitmenschen „viel Glück“ zu wünschen: an Geburtstagen, zur Eheschließung, vor schwierigen Prüfungen und so weiter. Diese freundliche Geste verrät unsere Verbundenheit und mag so dem Beglückwünschten eine angenehme moralische Unterstützung sein. Schließlich kann jeder in den Unwägbarkeiten unseres Alltages so ein kleines Quäntchen Glück immer gebrauchen, gerade weil die Glücksgöttin Fortuna oft zu schlafen scheint. Wäre dies nicht der Fall und schüttete die Himmlische ständig ihr Füllhorn über jeden von uns aus, dann wären unsere Glückwünsche so überflüssig und unnütz wie ein Kropf.
Es gibt aber leider genügend Zeitgenossen, denen man nicht „viel Glück“ wünschen darf, nein, man muss es geradezu: wer sich nicht auf bestimmte ethische Mindest-Grundwerte, auf Einsicht, Vernunft, ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung, ein gewisses Maß an Fleiß, wer sich nicht auf Selbst- und Fremdachtung, auf ein sensibles Verantwortungsgefühl sich und anderen gegenüber und ähnliche (häufig schon als „veraltet“ betrachtete) Tugenden verlassen kann, der wird den Unbilden der Lebensstürme so hilflos ausgesetzt sein, wie ein hin- und hergepeitschtes Blatt im Winde …
Diesen bedauernswerten Geschöpfen muss man „viel Glück“ wünschen, denn sie haben es bitter nötig – besitzen sie doch nichts oder jedenfalls viel zu wenig, um ihres eigenen Glückes Schmied sein zu können.
entstanden: 30.5.2016