Brief Lous an Gillot vom März 1882

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Rom, 26/13 März 1882

Ihren Brief hab ich gewiß schon 5 Mal gelesen, aber kapiert hab ich ihn noch immer nicht. Was, in Dreiteufelsnamen, hab ich denn verkehrt gemacht? Ich dachte ja, Sie würden grade jetzt des Lobes voll über mich sein. Weil ich doch nun grade dabei bin zu beweisen, wie gut ich seinerzeit meine Lektion bei Ihnen gelernt habe. Erstens indem ich doch ganz und gar nicht einer bloßen Phantasie nachhänge, sondern sie verwirklichen werde, und zweitens, indem es durch Menschen geschehen soll, die wie direkt von Ihnen ausgesucht erscheinen, nämlich vor lauter Geist und Verstandesschärfe schon fast platzen. Aber nun behaupten Sie statt dessen, die ganze Idee sei so phantastisch wie nur jemals eine früher, und werde nur noch ärger dadurch, daß sie wahrhaftig auch noch in Leben umgesetzt werden solle, und um so viel ältere und überlegene Männer wie Rée, Nietzsche und andere könnte ich nicht richtig beurteilen. Darin täuschen Sie sich nun aber. Das Wesentliche (und das Wesentliche ist menschlich für mich nur Rée) weiß man entweder sofort oder garnicht. Er ist auch noch nicht vollkommen gewonnen, er ist noch etwas perplex, aber auf unsern nächtlichen Gängen zwischen 12 – 2 im römischen Mondschein, wenn wir aus den Gesellschaften von Malwida v. Meysenbug kommen, setze ich es ihm immer erfolgreicher auseinander. Auch Malwida ist gegen unsern Plan, und dies thut mir ja leid, denn ich habe sie riesig lieb. Aber mir ist doch schon seit längerm klar, daß wir im Grunde stets Verschiedenes meinen, selbst wo wir übereinstimmen. Sie pflegt sich so auszudrücken: dies oder jenes dürfen »wir« nicht thun, oder müssen »wir« leisten, und dabei hab ich doch keine Ahnung, wer dies »wir« eigentlich wohl ist, – irgend eine ideale oder philosophische Parthei wahrscheinlich, – aber ich selber weiß doch nur was von »ich«. Ich kann weder Vorbildern nachleben, noch werde ich jemals ein Vorbild darstellen können für wen es auch sei, hingegen mein eignes Leben nach mir selber bilden, das werde ich ganz gewiß, mag es nun damit gehn wie es mag. Damit habe ich ja kein Prinzip zu vertreten, sondern etwas viel Wundervolleres, – etwas, das in Einem selber steckt und ganz heiß von lauter Leben ist und jauchzt und heraus will. – Nun schreiben Sie zwar auch: ein solches volles Sichhingeben an rein geistige Endziele hätten Sie immer nur als »Übergang« für mich gemeint. ja, was nennen Sie »Übergang«? Wenn dahinter andere Endziele stehen sollen, solche, für die man das Herrlichste und Schwersterrungene auf Erden aufgeben muß, nämlich die Freiheit, dann will ich immer im Übergang stecken bleiben, denn das geb ich nicht dran. Glücklicher als ich jetzt bin, kann man bestimmt nicht werden, denn der frisch-fromm-fröhliche Krieg, der nun wohl losgehn wird, schreckt mich ja nicht, im Gegentheil, der soll nur losgehn. Wir wollen doch sehn, ob nicht die allermeisten sogenannten »unübersteiglichen Schranken« die die Welt zieht, sich als harmlose Kreidestriche herausstellen!

Wohl aber würde mich erschrecken, wenn Sie da nicht innerlich mitgingen. Sie schreiben verstimmt, daß Ihr Rath wohl nicht mehr viel dagegen helfen könnte. »Rath«, – nein! was ich von Ihnen brauche, ist ganz ungeheuer viel mehr als Rath: Vertrauen. Natürlich nicht in dem gewöhnlichen Sinn, wie es sich von selbst versteht, – nein, aber das Vertrauen, daß, was ich auch thun oder lassen mag, es im Umkreise dessen bleibt, was uns gemeinsam ist, (– sehen Sie! dies ist nun doch ein »wir«, das ich kenne und anerkenne). Und was mir ohne weiteres und so sicher zugehören müßte, wie Kopf, Hände oder Füße, – von dem Tage an, seit ich wurde, was ich durch Sie geworden bin: Ihr Mädel.

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