Die Pizza

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Im Augusturlaub 2013 hatte ich in einer Pizzeria in Sonthofen eine vegane Pizza bestellt, diese schließlich in außergewöhnlicher Größe, vielfältigst mit Gemüse u.s.w. belegt, serviert bekommen und mit größtem Genusse verspeist. In Erwartung ähnlicher Verwöhnung suchte ich wenige Monate später das gleiche Lokal wieder auf. Erneut bestellte ich eine Pizza ohne „Grunz-Grunz“, ohne „Kikeriki“, frei von „Muh-Muh“ und dergleichen. Ich erhielt zwar wieder eine annähernd abortdeckelgroße Ausführung, allerdings offensichtlich in asketisch-veganer Sparform.

Als ich mich durch die halbe Speise in trockener, schlichtest belegter und dadurch fast spanplattenähnlicher Ausführung geduldigst durchgekaut hatte, kam mir die an Genialität kaum zu übertreffende Idee, ich könnte doch mit etwas pfefferonigeschwängertem Olivenöle auf der Restspeise einen einigermaßen Saftigkeit vorgaukelnden Ölteppich gestalten, welcher wenigstens – nach erledigter Kauarbeit – das Abschlucken zu erleichtern imstande war.

Auf einmal stand die (zu diesem Zeitpunkte noch!) freundliche Bedienung – wirkliches Interesse zumindest recht überzeugend vorspielend – am Tische, nachfragend, wie die Pizza schmeckte. Ich erklärte:
„Nun ja, das Untere, also der den Boden gestaltende Teiganteil, schmeckt gut, aber jener ist ja nicht die Pizza, indem dass zu einer nämlichen, also zur Gesamtheit derselben, auch das zu rechnen und damit geschmacklich mitzuwürdigen sein muss, was oben auf der gebackenen Teigsubstanz üblicherweise seinen Platz gefunden haben sollte. Wenn diese Oberschicht aber lediglich durch extremen Mangel glänzt, kann ich nur sagen, dass die Pizza vielleicht schon – mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit – geschmeckt haben könnte, so diese ausreichend belegt gewesen wäre. Es scheint mir demnach keine zuverlässige Auskunft möglich zu sein, da etwas, was nicht vorhanden ist, nicht schmecken kann, ganz simpel deshalb, weil es infolge seiner Abwesenheit nicht in der Lage ist, die Geschmacksnerven des Speisenden auch nur in geringster Weise zu tangieren. Es grenzte gleichsam an Vermessenheit, so man sich gestattete, überhaupt ein Urteil über eine sogenannte Pizza abgeben zu wollen, welche im eigentlichen Sinne keine ist, weil sie eben zu ihrem Pizza-Dasein unabdingbar auf die Ausstattung mit einem – wenngleich auch hier im Sonderfalle veganen – Belage existenzmäßig angewiesen ist.
Um der Gerechtigkeit zur Ehre zu verhelfen, muss ich mir allerdings eingestehen, dass ich den potentiellen veganen Belag in gegrillter Version gewählt habe. Einem gewissen Volumenschwunde war mit dieser Art der Zubereitung Tür und Tor geöffnet. Andererseits aber kann Material, welches gar nicht vorhanden ist, keine Volumeneinbuße erleiden, da es in der Natur des „Nichts-an-sich“ liegt, sich keiner Räumlichkeit zu erfreuen und deshalb auch keiner verlustig gehen zu können.“

Möglicherweise war dem Pizzabäcker der Begriff „vegan“ nicht hinreichend zu vermitteln gewesen! „Nichts-Muh-Muh“, „Nichts-Kikeriki“ und „Nichts-Grunz-Grunz“ mag er als „Fast-Nichts“, also als Teig „Mit-Ohne-Viel-Etwas“ verstanden haben, denn der Teiganteil (in umgekehrt proportionalen Gewichtsanteilen zum Belage anzutreffen) war wohlschmeckend, wenngleich er auch, vereinsamt auf dem Teller serviert, ein trauriges, eben ziemlich isoliertes Dasein gefristet hatte.

Somit war das Einzige, was die servierte Speise nicht entbehrte, eine gewisse Tragik!

Die Satire fußt auf einer wahren Begebenheit. Lediglich die Antwort, welche ich der Bedienung gab, ist hier in sprachlich überspitzter Form dargestellt, also satirisch überzeichnet. Ich hatte damals nämlich nur wahrheitsgemäß festzustellen gewagt, dass man dieses Mal – im Gegensatze zur vor wenigen Monaten von mir bestellten Pizza – schon arg mit dem Belage gespart hatte. Schnippisch gab die Bedienung zur Antwort: “Nun, dann wissen Sie ja, wo Sie nächstes Mal nicht hingehen werden.“ - Da war ich sprachlos, allerdings nur, was die gesprochene Sprache betrifft, denn noch in derselben Nacht entstand der Entwurf für obige sardonische Geschichte.

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Kommentare

21. Okt 2018

Eine sehr gute Geschichte, lieber Alfred. Es ist traurig, dass manche Leute eine berechtigte Kritik nicht ertragen können und dann auch noch dreist werden. Ein Bedauern wäre ja wohl das Mindeste gewesen, was Du verdient hättest, wenn nicht gar Ersatz.

Liebe Grüße und einen schönen Sonntagabend,
Annelie

21. Okt 2018

Wenn Bertha Krause reklamiert -
Läuft sofort alles! Wie geschmiert ...

LG Axel

21. Okt 2018

Sollt' man mich wieder mal "ausschmieren"
und ich vergeblich protestieren,
also erfolglos reklamieren ...
dann - 's mög' der Axel mir verzeihen -
würd' ich mir gern' die Bertha leihen!
Vorausgesetzt, das hoff' ich doch,
die Leihgebühr wird nicht zu hoch.

Grüße sende ich Euch beiden
(solch' Kommentare mag ich leiden!)

Herzlichst Alfred