Jockel Anschütz erklärt eine heikle Situation, eine peinliche Begebenheit. Er sagt zu seinem Gegenüber, Reginald Cornblood: „Da ist sie also zum erstenmal bei mir in meinem Zimmer. Wir sind erst seit gut 4 Stunden zusammen, es hatte gleich nach der Schule gefunkt. Zuvor hatten wir uns so gut wie gar nicht beachtet. Dann das. So urplötzlich, Mann.
Wie aus heiterem Himmel schlägt der Blitz ein. Bei uns beiden. Wir haben gute drei Stunden lang hinter der Schule geknutscht. Dann gehen wir also zu mir. Ich möchte ihr meine umfangreiche Plattensammlung zeigen. Sie sieht die Bilder an der Wand. Alles Blonde. Nur blonde Mädchen. Kati aber ist rothaarig. Sie sieht mich lange und fragend an. Ich beginne zu schwitzen. Seit der 1. Klasse hatte ich ausschließlich für blonde Mädchen geschwärmt. Immer. Mit blauen Augen. Kati hat die feuerroten Haare, gut 3 Millionen Sommersprossen und tiefgrüne Augen.
Das war so eine Situation, weißt du. Eben eine Schuhspitzendreh-Situation.“ Etwas merkwürdig wird Jockel da von Reginald betrachtet. „Eine was?“ fragt er folgerichtig und schaut recht fragend drein. „Eine Schuhspitzendreh-Situation. Du weißt schon.
Man stellt den rechten Schuh hoch, bleibt mit der Spitze am Boden, die Ferse schön weit oben. Dann dreht man die Schuhspitze langsam von rechts nach links und dann zurück. Schön langsam. Nicht so, als würdest du gerade eine Zigarette ausdrücken. Nein, auf keinen Fall. Gemächlich, weißt du? Und dabei hältst du die Hände hinter deinem Rücken verschränkt. Und du siehst etwas belämmert, bekümmert, bedrückt und schuldbewusst, mit Unschuldsäuglein jedoch, zum Gegenüber, mehr so von unten nach oben, recht bedröppelt, nach Vergebung heischend. Die Gegenseite verspürt die Peinlichkeit natürlich vehement, kann sich aber angesichts der Szene, der Schuhspitzendreh-Situation, ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Die heikle Kiste wurde somit in eine befreiende Aktion umgemünzt. Das Unbefangene, das Lockere, das Ungezwungene ist wiederhergestellt. Situation gerettet. Schuhspitzendreh-Szene mit happy end. Diesem einzigartigen Charme kann sich keine Frau entziehen. Wenn diese 3 Faktoren zusammenkommen, dann ist die Frau hilflos: Schuhe, jugendlicher Charme und Unschuldsäuglein.“
„Und wie ist das mit Kati ausgegangen?“ „Na ja“, meint Jockel debil grinsend, „dieser flotte Peter hatte damals ein Motorrad, ich ja nur den Roller. Da kannst du dir sicher denken, wie die Geschichte endete...“ Und er stellt den rechten Schuh hoch, twistet in slow-motion seinen tumben Schuhspitzendreh-Tango, und sieht Reginald ziemlich spitzbübisch-unschuldig an, während er hinter dem Rücken seine Hände verschränkt. Reginald geht grußlos.