Die Neuauflage der Steinzeit

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von Alf Glocker

Weil neuerdings die Regierungen nicht mehr voll ausgelastet sind, beschäftigen sich ihre Mitglieder nicht mehr ausschließlich mit den Zuweisungen von Diäten aufs eigene Konto, sondern auch und vor allem mit einem kurios anmutenden Zeitvertreib. Es ist: die Komplettierung des Vollständigen, und sie erfolgt durch das Überflüssige, in der guten Absicht des Bösen, ein Fass zum Überlaufen zu bringen, dessen Rauminhalt bis zum Rand homogen war. Staatlichen Stellen zufolge soll das Fass jedoch im unteren Bereich von einem Leck gekennzeichnet gewesen sein, das niemand durch Stopfen abdichten wollte. Dabei handelt es sich um eine seltsame Form der Arbeitsbeschaffung für Minister, Kanzler und Präsidenten.

Diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme treibt, im Vertrauen gesagt, leider die seltsamsten Blüten. Jedermann ist aufgerufen, sich an der Erstellung einer absurden Fantasie-Geschichte zu beteiligen. Um dem Spielchen eine Richtung zu geben, wird empfohlen, das folgendermaßen zu interpretieren: Ein Auslaufen des Inhalts wäre demnach zu erwarten gewesen, sagte ein Sprecher der Regierung und gab diese Information an den Verdrehungsapparat der Regimepropaganda weiter, der seitdem eifrig damit beschäftigt ist, das bisherige Fassgut als unzureichend, ja sogar als von schlechter Qualität zu bezeichnen.

Einwände gegen diese Behauptung stehen ab sofort unter Strafe, hieß es in einer Verlautbarung der Parteien, die sich als mittig bezeichnen, in Wirklichkeit jedoch völlig den Verstand verloren haben. Sie meinen, es sei populistisch, Überflüssiges als solches zu bezeichnen, während wiederum echte Populisten keine Populisten seien, weil sie die Komplettierung des Vollständigen verlangten. Auf alle Fälle müsse jetzt dem Fass der Boden ausgeschlagen werden – dies ist die einhellige Meinung derer, die sich für nicht mehr ganz vollständig halten und eine weitere Vervollständigung z.B der Atmosphäre mit Giftgasen anstrebten, oder auch eine Versteppung der Waldgebiete durch eine Bebauung, die dann als überflüssig angesehen werden müsste, wenn nicht fortwährend eine weitere Vervollständigung stattfände.

Die Wissenschaft ist sich zwar darüber einig, daß Vervollständigungen durch Überflüssiges vorgenommen werden müssen, kann aber nicht genau prognostizieren, wann das Fass überläuft, oder ihm, durch andauerndes Schlagen der Boden entfernt wird. In diesem Fall jedoch, so wagen wenigstens einige unterprivilegierte Weise zu behaupten, flösse das Vollständige zuerst aus, während das Überflüssige noch ein Weilchen brauchte um bis auf den Boden zu kommen. Dies sei, so sagen aber wiederum die ganz Schlauen, ein vollkommen natürlicher Prozess, vor dem es kein Ausweichen gäbe – außer man vervollständigte nicht fortwährend, was gar nicht vervollständigt werden müsse. Dies gehe nämlich nur, wenn man Überflüssiges hinzuzieht, damit der Fassinhalt ins Bodenlose aufgewertet werde und ein nicht enden wollender Zufluss entstehe – für die Aufrechterhaltung der notwendigen Inhaltsmenge des Behältnisses „Fass“.

Ob das Fass nun ein Leck aufweise, oder das Fassungsvermögen bereits längst erschöpft ist, darauf käme es nicht an, betonen die Vermehrungsstrategen in Sachen Zufluss und Gelder, es komme viel mehr darauf an, daß überhaupt etwas stattfinde, was nicht nur dem Fass den Boden ausschlägt, sondern auch dem Inhalt jeglichen Boden entzieht. Dafür müsse dann eben ein neuer Begriff gefunden werden, sagen „qualifizierte“ Beobachter der Szene ... ich schlage „Kulminationspunkt“ vor, aber ich glaube, man denkt eher an „Neuauflage der Steinzeit“!

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